Wolfram Siemann / Nils Freytag / Wolfgang Piereth (Hgg.): Städtische Holzversorgung. Machtpolitik, Armenfürsorge und Umweltkonflikte in Bayern und Österreich (1750-1850) (= Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Reihe B; Beiheft 22), München: C.H.Beck 2003, 182 S., 14 Abb., ISBN 978-3-406-10663-7, EUR 22,00
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In seinem Vorwort skizziert Wolfram Siemann die Genese des Sammelbandes: Zwei Forschungsprojekte, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurden, bildeten die Grundlage der Konzeption. Während im ersten Projekt umwelthistorische Aspekte in einem ländlich strukturierten Raum (Hunsrück, Eifel, Pfälzer Wald) im Zentrum der Untersuchung standen, konnte im Folgeprojekt "Holzversorgung als kommunale Aufgabe. Stadt und Wald im 18. und 19. Jahrhundert" die umweltgeschichtliche Fragestellung in einen umfassenderen Horizont eingebettet werden. Zugleich richtet sich mit der städtischen Holzversorgung der Blick auf ein bisher weitgehend vernachlässigtes Feld der Umweltgeschichte. So geht dieser Band gleich an zwei Desiderate der Umweltgeschichte heran, an das methodische einer Verknüpfung der Spezialdisziplin mit der allgemeinen Forschung und an das inhaltliche, das bislang Stadt und Land in der vorindustriellen Zeit weitgehend als getrennte Räume wahrgenommen hat. Insgesamt enthält der Sammelband neun Beiträge sowie ein zuverlässiges Personen- und Ortsregister.
In einer Art Basisartikel zeigen Nils Freytag und Wolfgang Piereth die Potenziale des gewählten Ansatzes auf, indem sie verdeutlichen, dass sich am Problem der städtischen Holzversorgung brennpunktartig das Verhältnis von Stadt und Land in der Umbruchzeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts ebenso analysieren lässt wie verfassungsrechtliche und sozioökonomische Entwicklungen innerhalb der Städte. Darüber hinaus erkennen die Autoren mentalitäts- und dezidiert umweltgeschichtliche Möglichkeiten. Insbesondere stellen sie den Beitrag heraus, den der Blick auf die städtische Holzversorgung für eine der zentralen umweltgeschichtlichen Streitfragen, der Frage nach einer Holznot am Ende des 18. Jahrhunderts bieten kann. Um diesen weitgespannten thematischen Ansätzen gerecht werden zu können, beschreiten die Herausgeber den Weg der vergleichenden Einzelstudien. Durch die Untersuchung sehr unterschiedlicher Stadttypen (von Reichs- über Residenzstädte bis zu landsässigen Städten) in einem abgegrenzten Gebiet mit einem ähnlichen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand sowie vergleichbaren naturräumlichen Voraussetzungen (Waldreichtum) soll dies gewährleistet werden.
Bernhard Löffler wendet sich in seinem Aufsatz dem Typus der geistlichen Residenzstadt mit ihren ganz spezifischen Verhältnissen zu. Er untersucht vier Themenkomplexe, die nur mittelbar miteinander verknüpft zu sein scheinen. Nach einer Darstellung der naturräumlichen, sozioökonomischen und politischen Gegebenheiten in Stadt und Territorium Passau quantifiziert er den Holzverbrauch Passaus, skizziert die Holztrift auf der Ilz zur Versorgung der Stadt mit dem benötigten Brennholz und verdeutlicht am Parkbau-Projekt des aufgeklärten Fürsterzbischofs Joseph Franz von Auersperg die veränderte Naturwahrnehmung am Ende des 18. Jahrhunderts. Trotz der nur indirekt gegebenen inhaltlichen Klammer und einer schwierigen Quellenlage gelingt es dem Autor, klare Linien herauszuarbeiten. So wird deutlich, dass es aufgrund des Waldreichtums des Passauer Territoriums sowie des Fehlens von Holzgroßverbrauchern nie zu krisenhaften Verknappungssituationen in der Holzversorgung gekommen ist, wenn auch im Laufe des 18. Jahrhunderts mittels der Trift auf entfernter gelegene Waldgebiete zurückgegriffen werden musste. Diese diente allerdings auch dazu, den Waldreichtum des Landes für Exportzwecke zu erschließen. Außerdem legt der Autor überzeugend dar, dass die spezifischen Verhältnisse eines geistlichen Territoriums mit der Dominanz des bischöflichen Hofes auch die Nachfragesituation maßgeblich beeinflusst hat. Schließlich wird erkennbar, dass sich im Laufe des 18. Jahrhunderts die Sichtweise auf den Wald deutlich verändert hat: Vom Jagdwald des bischöflichen Hofes mutierte er zu einem Gegenstand der Landesökonomie und schließlich wurde der Erholungswert des Waldes entdeckt.
Gänzlich andere politische, wirtschaftliche und naturräumliche Bedingungen als in Passau galten für die Reichsstadt Regensburg. In seinem Beitrag zeigt Martin Knoll auf, dass Regensburg aufgrund seiner Insellage im bayerischen Territorium sowie des Mangels an eigenen Waldgebieten völlig vom Holzimport und hier wiederum überwiegend aus Bayern abhängig war. Als Tagungsort des Reichstages kam Regensburg zudem eine reichspolitische Bedeutung zu. Der Autor zeichnet punktuell die zoll- und handelspolitischen Auseinandersetzungen zwischen Bayern und der Reichsstadt beziehungsweise den Gesandtschaften des Reichstages nach, die zwischen 1756 und 1772 umfangreiches Quellenmaterial entstehen ließen. Letztlich lässt dieser Konflikt aufgrund der spezifischen Situation, die auch von reichspolitischen Auseinandersetzungen mitgeprägt war, jedoch kaum generalisier- oder vergleichbare Erkenntnisse zu. So wird weder die vom Autor selbst aufgeworfene Frage nach den dauerhaften Auswirkungen der Abhängigkeit von bayerischem Holzimport für die wirtschaftliche Entwicklung Regensburgs auch nur ansatzweise beantwortet, noch gelingt es dem Autor die ebenfalls diskutierte Frage einer "Holznot um Regensburg" (51) wirklich zu beantworten. Immerhin wird deutlich, dass die bayerischen Restriktionen wohl mehrere Ursachen hatten. Neben reichspolitischen Argumenten werden von Bayern auch die Verknappung und Teuerung des Holzes im eigenen Land zur Verteidigung der Exportbeschränkungen angeführt. Dies erscheint einerseits als probates Argument, um den Holzhandel zu monopolisieren, andererseits schließt der Autor auf "die Existenz einer realen Sorge um die eigenen Waldreserven" (53).
Während Regensburg gänzlich vom Holzimport abhängig war, konnte die Stadt Salzburg als Zentrum eines ausgedehnten und vor allem sehr waldreichen Territoriums ihren Holzbedarf vollständig aus dem "Inland" decken. Der Aufsatz von Christoph Sonnlechner und Verena Winiwarter beschäftigt sich mit Holzversorgungsproblemen, die im Erzbistum Salzburg auf der Konkurrenzsituation von gewerblichem Großverbraucher und dem städtischen Verdichtungsraum beruhten. Auf der Basis der Salzburger Waldordnungen zeigen die Verfasser auf, dass bis ins 17. Jahrhundert hinein dem Salinenwesen als dem finanziellen Rückgrat des Erzbistums bei der Nutzung der Wälder absolute Priorität eingeräumt wurde. Aufgrund der geografischen Verhältnisse bildeten sich unterschiedliche "Versorgungsräume" heraus: Für die Saline standen die alpinen Wälder im Triftbereich der Salzach südlich von Hallein zur Verfügung, während der Bedarf der Stadt Salzburg an Bau- und Brennholz aus den unmittelbar an die Stadt angrenzenden Gerichtsbezirken gedeckt wurde. Insofern bestand wohl zwischen der Residenzstadt Salzburg und der Saline Hallein nie eine echte Konkurrenz bei der Holzversorgung. Möglicherweise hätte ein genaueres und differenzierteres Bild der Versorgungssituation des Erzbistums Salzburg gezeichnet werden können, wenn etwa der Holzexport nach Bayern (Saline Reichenhall) und Österreich (Salzkammergut) sowie der Verbrauch der Salzburger Montanwerke (zum Beispiel Montanverbund Achthal, Röhrnbach, Hammerau) in den Blick genommen worden wären. Notwendig wäre es auch gewesen, demografische Entwicklungen, die etwa infolge des Dreißigjährigen Krieges die Salzproduktion nachhaltig beeinflussten, zu berücksichtigen. Keine Angaben machen die Verfasser auch über die Auswirkungen technischer und administrativer Maßnahmen, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert gerade im salinarischen Bereich erhebliche Einsparungen an Brennholz zur Folge haben konnten. Dringend wünschenswert wäre auch eine breitere Quellenbasis gewesen. Dies alles konnte aber wohl im vorgegebenen Rahmen nicht geleistet werden und muss einer größeren Studie vorbehalten bleiben.
Auch die von Elisabeth Johann bearbeitete Stadt Klagenfurt macht einmal mehr deutlich, dass die lokalen geografischen Bedingungen angesichts der Transportmöglichkeiten der vorindustriellen Zeit wesentlich Bezugsbedingungen und damit auch die Holzpreise beeinflussten. Da mangels Triftgewässer ein Holztransport auf dem Wasserweg nur über den Wörthersee, der durch einen Kanal mit der Stadt verbunden war, möglich war, beschränkte sich das Holzeinzugsgebiet Klagenfurts auf die stadtnahen Wälder sowie Waldungen im Einzugsbereich des Sees. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam es in Klagenfurt zu drastischen Preissteigerungen für Brennholz. Hauptgrund hierfür dürfte der Zwischenhandel gewesen sein, der sich aufgrund der Transportverhältnisse etablierte. Die Obrigkeit, in diesem Fall die Kärntner Landstände, begegneten dieser Entwicklung aus sozialen Motiven mit dem Verbot des Zwischenhandels sowie der Anlage eines städtischen Holzmagazins, wodurch die Holzpreise zeitweise stabilisiert werden konnten. Schade ist, dass die Autorin ihre Ergebnisse nicht in einen größeren Zusammenhang einordnet. So bleibt es dem Leser weitgehend selbst überlassen, die Klagenfurter Verhältnisse etwa in die Diskussion einer angeblichen oder realen "Holznot" am Ende des 18. Jahrhunderts einzuordnen.
In Nürnberg kam es in den 90er-Jahren des 18. Jahrhunderts ebenfalls zur Errichtung eines Holzmagazins. Wie Nils Freytag in seinem Beitrag ausführt, war zwar das soziale Motiv ebenso wie in Klagenfurt vorhanden. Die Hintergründe der desolaten städtischen Holzversorgung lagen in Nürnberg jedoch gänzlich anders. Missstände in der reichsstädtischen Verfassung führten Ende des 18. Jahrhunderts zum Konflikt zwischen dem von Patriziern beherrschten Magistrat und dem bürgerlichen Genanntenkollegium, in den auch eine kaiserliche Kommission involviert war. Im Rahmen dieses Konflikts wurde auch über den Einfluss auf die Ressourcen des Reichswaldes erbittert gestritten. Das reichhaltige Quellenmaterial, das dieser Konflikt produzierte, lässt erkennen, dass Waldzustandsbeschreibungen stets interessengeleitet waren, und dass der Konflikt nicht nur die Sensibilität für die Wälder sowie die Holzversorgung erhöhte, sondern auch zu organisatorischen und personellen Verbesserungen im Waldbereich führte. Auch dieser interessanten "Momentaufnahme" mangelt die zeitliche Tiefendimension. Dies ist gerade im Fall der Nürnberger Reichswälder bedauerlich, da diese doch als die ersten Wälder mit Kunstverjüngung überhaupt gelten. Insofern klafft eine zeitliche Lücke zwischen den spätmittelalterlichen "Musterwäldern" und den "verwüsteten" Wäldern des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Angesichts der im 17. und 18. Jahrhundert gesunkenen Einwohnerzahl Nürnbergs hätte dieser Umstand einer Erklärung bedurft.
Der Überblick über die Holzversorgung der Stadt Hof von Arno Kluge ist im Gegensatz zu den punktuellen Studien von Freytag, Johann oder Knoll auf einen längeren Zeitraum hin angelegt, wenn auch schwerpunktartig das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert untersucht werden. Angesichts des Waldreichtums und der geringen Bevölkerungsdichte der Hofer Region "kam es im gesamten Untersuchungszeitraum zu keiner akuten Versorgungskrise" (126) mit Holz. Wieder einmal wird am Beispiel Hofs deutlich, dass in vorindustrieller Zeit die Holzversorgung wesentlich von den Transportmöglichkeiten abhängig war und sich die Ressourcensituation durch den Eisenbahnbau völlig veränderte. Aus Vergleichszwecken ist auch interessant, dass selbst in Hof von der städtischen Obrigkeit aus sozialen Gründen ein Holzmagazin angelegt wurde - allerdings erst 1830. Insgesamt wirkt der Beitrag etwas unsystematisch und zu sehr lokalbezogen.
Zu Recht betont Wolfgang Piereth in seinem Beitrag, dass durch die Konzentration der Umweltgeschichte auf die Holznotklagen des 18. Jahrhunderts die Entwicklung im frühen 19. Jahrhundert kaum in den Blick genommen worden ist. Piereth gelingt es in seiner konzentrierten Darstellung nicht nur dieses Defizit bewusst zu machen, sondern er verdeutlicht auch die Potenziale, die mit einer Untersuchung von Holzmangel und Holzverteuerung in diesem Zeitraum verbunden sind. Um das Phänomen der drastischen Preissteigerung für Holz in bayerischen Städten im Jahrzehnt von 1830 bis 1840 verstehen zu können, muss neben der demografischen Entwicklung die Liberalisierung- und Deregulierungspolitik der bayerischen Regierung mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen betrachtet werden. Das Problem der Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Holz bettet sich ein in das Phänomen des Pauperismus, hat aber in Bayern ganz spezifische Ursachen wie den Holzexport infolge des Beitritts zum Zollverein sowie des durch die staatliche Fiskal- und Forstpolitik begünstigten Zwischenhandels mit Holz. Exemplarisch zeigt dieser Beitrag, dass Umweltgeschichte nicht isoliert steht, sondern wesentliche Aspekte zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und auch zur politischen Geschichte beitragen kann.
Auch für die geistliche Residenzstadt Würzburg gilt, dass die Liberalisierung der Holzversorgung seit 1830 zu einem Preisanstieg bei Brennholz führte. Dies geht aus der Untersuchung Winfried Schenks hervor, der zwei Phasen der Holzversorgung ausmacht: Bis etwa 1830 dominierten noch "merkantilistische Ideen", sodass die Brennholzversorgung wesentlich vom geistlichen Stadtherrn beziehungsweise später vom bayerischen Staat reguliert wurde. Nach 1830 etablierte sich ein freier Holzhandel, der einerseits die Versorgungssicherheit erhöhte, andererseits zu steigenden Preisen führte, ehe durch den Eisenbahnanschluss und die allmähliche Substitution von Holz durch Kohle in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Holzversorgung zunehmend unproblematisch wurde. Davor waren auch in Würzburg für Versorgungskrisen mit der Ressource Holz weitgehend nicht ökologische Probleme, sondern ungünstige politische Rahmenbedingungen und schwierige Transportverhältnisse verantwortlich. Der Beitrag von Schenk enthält reichhaltiges Zahlenmaterial, das auch grafisch aufbereitet ist. An sich verdienstvoll, aber im Druck zu klein ist eine beigefügte Karte.
Die beiden letzten Aufsätze von Piereth und Schenk, die sich inhaltlich berühren, zeigen einen gewissen Schwachpunkt des Sammelbandes, da offensichtlich kein Autor die Ergebnisse der Mitautoren zur Kenntnis genommen hat. Gerade bei diesem Sammelband, der aus längerfristigen Forschungsprojekten erwachsen ist, hätte sich aber wohl die Gelegenheit zur stärkeren "Versetzung" der Beiträge finden lassen müssen. Dennoch wird der Band den selbst gestellten Ansprüchen weitgehend gerecht und ist hoch verdienstvoll, da tatsächlich Forschungsdesiderate aufgezeigt und teilweise geschlossen werden. Insgesamt ist er ein Beleg dafür, dass die Umweltgeschichte längst ihr Nischendasein aufgegeben hat und zu einer ertragreichen Teildisziplin der Geschichtsschreibung geworden ist.
Alfred Kotter