Stefania Galassi: Pressepolitik im Faschismus. Das Verhältnis von Herrschaft und Presseordnung in Italien zwischen 1922 und 1940 (= Beiträge zur Kommunikationsgeschichte; Bd. 19), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008, 562 S., ISBN 978-3-515-08066-8, EUR 76,00
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Er sehe den faschistischen Journalismus als ein Orchester an, verkündete Mussolini 1928 vor einer Versammlung von Zeitungsdirektoren: "Das 'A' ist für alle gleich. Und dieses 'A' wird nicht von den Presseämtern der Regierung in Form einer Anregung oder eines Ratschlages vorgegeben [...]. Es ist ein 'A', das sich der faschistische Journalist selbst gibt. Er weiß, wie er dem Regime zu dienen hat." (345) Nach einer Phase des Zwangs, der Säuberung und der Integration forderte Mussolini einen aktiven Beitrag der Presse. Der Diktator wünschte sich eine bunte Presselandschaft, jede Zeitung dürfe ein eigenes Instrument darstellen und dem eigenen Temperament und Charakter folgen - doch habe dies in festem Glauben an den Faschismus zu geschehen.
Der Faschisierung der italienischen Presse widmet sich Stefania Galassi in ihrer Dissertation, die im Winter 2005/06 an der Freien Universität Berlin eingereicht wurde. In den Hauptlinien basiert die Studie auf dem Forschungsstand des Jahres 2005, in Einzelaspekten wurde Literatur bis 2007 eingearbeitet. Grundlegend waren zum Zeitpunkt der Abgabe die Gesamtdarstellungen von Philip Cannistraro und Paolo Murialdi [1], denen es aber nicht gelungen war, die Forschungslücke zufriedenstellend zu schließen. Fast zeitgleich zu Galassi erstellte aber auch Mauro Forno eine Geschichte der faschistischen Pressepolitik [2] - und Galassi scheut sich nicht, diese zu loben. Dabei muss der Autorin recht unwohl gewesen sein, als sie von dem Werk erfuhr, das eine recht ähnliche Zielsetzung verfolgt: Beide Bücher konzentrieren sich auf die Organisation und die Umstrukturierung der italienischen Presselandschaft. Doch Galassi braucht sich nicht zu verstecken. Unter Verwendung von Parlamentsakten, Gesetzestexten, Zeitungsartikeln, Presseanweisungen, Memoiren und Korrespondenzen legt die Autorin eine wohlfundierte, gut durchdachte Studie vor, die zudem auf nicht geahnte Weise von ihren Deutschkenntnissen profitiert. So förderte z.B. die Durchsicht der Zeitschriften "Zeitungswissenschaft" und "Zeitungsverlag" aussagekräftiges Material zutage, gerade in den Jahrgängen vor 1933.
Galassi unterscheidet in ihrem Untersuchungszeitraum vier Handlungsebenen der Regierung: Die Niederschlagung der oppositionellen Presse, die Eingliederung der Journalisten in das faschistische Staatsgefüge, die Ausbildungspolitik und die Maßnahmen zur Lenkung der Zeitungsinhalte. Ausgangspunkt für den ersten Schlag gegen die Pressefreiheit war die Matteotti-Krise im Jahr 1924. Nach der Ermordung des Sozialisten Giacomo Matteotti hatte die demokratische Presse an Bedeutung gewonnen, zumal die politische Opposition nur unbeholfen protestierte. Die Regierung manipulierte daraufhin ein Pressedekret, sodass Zeitungen fortan ohne richterliche Erlaubnis beschlagnahmt werden konnten (129). Im folgenden Jahr wurde der Presseverband Federazione Nazionale della Stampa Italiana (FNSI) von den Faschisten unterwandert; fast alle Vorstände auf lokaler Ebene wurden ausgetauscht. Gleichzeitig nutzte das Regime seinen finanziellen Einfluss und drang in die Geschäftsverhältnisse der Zeitungen ein. Da nahezu alle Blätter Subventionen erhielten, konnte die Regierung großen Druck ausüben: Besitzer wurden enteignet, Direktoren abgelöst. 1926 boten drei Attentate auf Mussolini schließlich den Anlass, die Meinungsfreiheit ganz aufzuheben und die antifaschistische Presse zu verbieten.
Parallel dazu war das faschistische Pressesyndikat Sindacato Nazionale Fascista dei Giornalisti (SNFG) zu einer Konkurrenz zum FNSI aufgebaut worden, mit dem es 1926 fusionierte. Das Syndikat verfolgte eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche: Einerseits nahm es die Journalisten in die politische Pflicht und trieb den Säuberungsprozess in den Redaktionen voran, andererseits schuf es eine Sozialfürsorge und stärkte das Klassenbewusstsein des Berufsstands. Ende der zwanziger Jahre waren zwei Etappenziele auf dem Weg der Faschisierung erreicht: Die Eliminierung der gegnerischen Presse und die Einbindung der Journalisten in die neue Staatsstruktur. Allein die Begeisterung - eine "faschistische Seele" - fehlte; kennzeichnend für die neue Zeitungskultur war vielmehr ihre schleichende "Entpolitisierung." (335f.)
Damit konnte das Regime nicht zufrieden sein. Auf Anregung von Ermanno Amicucci wurde 1929 eine Berufsschule für Journalisten gegründet. Ein Heer regimetreuer Journalisten sollte herangezogen werden. Die Anforderungen waren hoch; nur knapp 27 Prozent des ersten Jahrgangs schafften die Abschlussprüfung. Doch letztlich agierte die Schule der Parteiführung offenbar zu unabhängig. Ganz im Sinne Giuseppe Bottais wurden die Studenten zwar faschistisch erzogen, aber gleichzeitig im kritischen Blick geschult. Bereits 1933 war das Projekt gescheitert; die Schule musste schließen.
Kern des späteren Apparats zur Kontrolle und Lenkung der Zeitungen war das Presseamt des Regierungschefs, das 1923 eingerichtet wurde und ab 1926 an Bedeutung gewann. Unter Galeazzo Ciano wurde dieses Amt umstrukturiert und ab 1934 zu einem Zentrum der Kultur- und Propagandapolitik ausgebaut. Mit der Bedeutungszunahme der Presseanweisungen geriet das Ziel des mündigen faschistischen Journalisten endgültig in den Hintergrund. Letztlich schaffte es das Regime lediglich, die Presseleute auf einer bürokratischen, juristischen Ebene zu vereinnahmen. Schon während des Abessinienkriegs stellte sich zudem heraus, dass auch die Disziplinierung der Presse nur unzureichend gelang. Immer wieder kam es zur Veröffentlichung von Militärgeheimnissen - ein Problem, das sich im Laufe des Zweiten Weltkriegs zu einem Streitpunkt zwischen den Achsenpartnern entwickeln sollte. [3]
In der Schlussanalyse kommt Galassi zu dem Ergebnis, dass eine programmatische Pressepolitik nicht existierte; die Maßnahmen der Anfangsjahre erweckten vielmehr den Eindruck eines "innenpolitischen Krisenmanagements." (494) Totalitarismus sei nicht die "Triebfeder" der faschistischen Pressepolitik gewesen, die totalitären Bestrebungen hätten sich eher umgekehrt aus den politischen Ad-hoc-Entscheidungen entwickelt (509). Für die Zeit nach 1933 könne man hingegen von einem "gescheiterten Totalitarismus" sprechen. Das gesamte Pressegefüge sei auf Kontrolle und Unterdrückung ausgerichtet worden, aber der Apparat habe nie die angestrebte Effizienz erreicht.
Knapp fallen die Kommentare zur katholischen Presse aus - und das, obwohl die Presseorgane des Vatikans wie Fremdkörper in die italienische Medienlandschaft ragten. Während sich Zeitungen wie der "Corriere della Sera" immer schlechter verkauften, stieg die Auflage des "Osservatore Romano" steil an. Nun kann man einwenden, dass die Kirche ihre Freiräume nicht übermäßig nutzte. Doch allein die Existenz ihrer Zeitungen reichte vermutlich aus, um die Disziplin der anderen Blätter zu untergraben. Den guten Eindruck, den die Studie hinterlässt, schmälert dieser Einwand aber nicht. Galassi bietet einen detailreichen Überblick über die faschistische Pressepolitik und sie versteht es, die Ereignisse, Maßnahmen und Resultate in überzeugender Weise zu analysieren.
Anmerkungen:
[1] Philip V. Cannistraro: La fabbrica del consenso. Fascismo e mass media, Rom/Bari 1975; Paolo Murialdi: La stampa del regime fascista, Rom/Bari 1986.
[2] Mauro Forno: La stampa del Ventennio. Strutture e trasformazioni nello stato totalitario, Soveria Mannelli 2005.
[3] Malte König: Kooperation als Machtkampf. Das faschistische Achsenbündnis Berlin-Rom im Krieg 1940/41, Köln 2007, 149-176.
Malte König