Stefan Meining: Eine Moschee in Deutschland. Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen, München: C.H.Beck 2011, 316 S., ISBN 978-3-406-61411-8, EUR 19,95
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Stefan Meining ist einer der umtriebigsten deutschen Redakteure in Spezialthemen. Der Historiker machte durch sein Buch über die Ostberliner Politik gegenüber Juden und Israel auf sich aufmerksam. Jetzt liegt sein zweites Buch über den Islam in Deutschland vor. Der Journalist lieferte dazu im ARD-Magazin "Report aus München" einen Streifen zum Pakt zwischen Hitler und dem Islamisten Amin al-Husaini und zur Geschichte der Münchner Moschee.
Eingeweihte Leser, die auf den Buchrücken blicken und etwas von Gründungsakt des politischen Islam im Westen lesen, könnten meinen, es handele sich um eine Geschichte, die 1915 beginnt. Damals ist nämlich in Wünsdorf bei Berlin die erste Moschee als Gebetshaus in Deutschland erbaut worden. Sie stand in einem Lager für die islamischen Kriegsgefangenen. Manche dieser Muslime wurden "umgedreht" und bald nach Istanbul gesandt. Dort führten sie dann den Jihad auf deutsch-osmanischer Seite.
Im Vorfeld, als Kaiser Wilhelm das Heilige Land besuchte und seine offizielle deutsche Islampolitik 1898 einleitete, begann auch der Gründungsakt des "politischen Islam" in Deutschland. Dies im Gegensatz zur irrigen Behauptung auf dem Buchcover, wonach Meinings Buch, das sich auf den ausgehenden Zweiten Weltkrieg und 50 Jahre danach begrenzt, den "Gründungsakt des politischen Islam in der westlichen Welt geklärt" habe.
Solche Gründungsakte findet man in der Moderne vor und nach 1800 im Osmanenreich, am Nil und an der libyschen Küste. Dort vertraten Amerikaner, Deutsche, Franzosen und Briten den Westen. Zum Glück haftet der Coverhauch völliger Unbedarftheit nicht Meining an, zumal die These vom Gründungsakt auch dann nicht stimmt, wenn man nur Deutschland betrachtet. Einmal abgesehen von der akademischen Literatur, legte der amerikanische Reporter Ian Johnson 2010 sein ähnliches Buch zur Münchner Moschee vor (Deutsch seit Januar 2011 "Die vierte Moschee"). Daher ist auch die andere Coverreklame des Journals "Focus" falsch, wonach es eine phantastische, so noch nie erzählte Geschichte sei. Zudem ist der Islam von Hause aus stets auch politisch und kann nur so richtig begriffen werden.
Doch all das kennt der Münchner Redakteur, der über viele Jahre die Archive Amerikas und Europas ergründet hat. Gut lotete er überdies zwei Quellengattungen aus, die allzu oft übersehen werden. Das sind private Kollektionen und Dokumente eingeschriebener Vereine. Letztere sind allen zugänglich und ein wichtiges Hilfsmittel. Im vorliegenden Buch beruhen viele Einsichten aus solchen Papieren des Münchner Moscheebauvereins.
Im Grunde erzählt Meining eine Geschichte über den Zweiten Weltkrieg, die bereits vor, im und nach dem Ersten Weltkrieg ablief. Die deutsch-osmanische Jihadisierung des Islam, die den Armeniermord 1915 begünstigt hat, ging nach Kriegsende weiter. Rund 2.000 in Deutschland verbliebene Muslime wirkten in den Netzwerken mit ihren alten Frontkameraden fort. Etwa 30.000 Deutsche kehrten vom Dienst unter der osmanischen Fahne aus Mittelost heim. Sie und diese Islamisten hatten viel gemein. Ihre Ideologeme mischten Islamismus mit denen der Rechten. In den 1920er Jahren kam es zu vielseitigen Vereinen, Instituten und Periodika. Darunter waren Orient-Klub und -Institut sowie Landesvereine und Berliner Islam-Institut von 1927. Noch bevor Hitler an die Macht kam, schlossen sie ihre Reihen gegen Juden. Sie waren das Reservoir für Hitlers Islampolitik, wieder islamistische Revolten im Feindeshinterland anzuzetteln, so in Palästina 1936 und im Irak 1941, und gemeinsam gegen Juden zu wirken.
Dass es sich im Zweiten Weltkrieg und danach ähnlich zugetragen hat, zeigt Meining auf. Da blieben wieder etwa 2.000 Muslime in Deutschland zurück. Viele dienten unter dem Hakenkreuz. Sie gründeten Moscheebauvereine, erst in Hamburg, dann in München und Aachen. Erneut zog eine neue Konstellation im Ringen mit totalitären Ideologien herauf, diesmal gegen die rote Weltanschauung im Kreml. Das führte dazu, dass in Deutschland mit der braunen Ideologie zu wenig aufgeräumt wurde und dass braun-grüne Netzwerke im Schatten des Kalten Kriegs gegen das Sowjetreich "gewendet" wurden. Im Westen gab es Helfer in Geheimdiensten und Einrichtungen, die Muslimflüchtlinge einsetzten. Das betraf auch das Amerikanische Komitee für die Befreiung vom Kommunismus oder das Nationalkomitee Freies Europa, die Sender wie "Radio Liberation" oder "Radio Free Europe" erfolgreich betrieben haben.
Meining kann beweisen, wie aus dem Münchner Moscheebauverein eine islamistische Stammzelle wurde, die den 11. September 2001 finanziell flankiert hat. Und das hatte seine Logik, zumal Europa und Mittelost Radikale "austauschten". Indes Regimes in der Nachbarregion Islamisten wie Muslimbrüder nach Europa exilierten, kamen von dort etwa 4.000 ex-Nazis, die sich in Israels Nachbarn niederließen und in Arabien den Jihad gegen Juden, Israel und Linke fortsetzten. Nach 1990 ging es weiter in den Demokratien.
Der Autor erhellt Bonns geheime Islampolitik, in der alte Kameraden wie Gerhard von Mende aus dem vormaligen Ostministerium und Theoder Oberländer als junger Chef des Vertriebenenministeriums erneut aufkamen: bei der Integration von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen. Sie kannten sich aus dem Einsatz von Truppen der kaukasischen Freiwilligen, zumeist Muslime. Meining stellt den SS-Imam Nur ad-Din Namangani vor.
Mende und Oberländer bewahrten nach dem Krieg ihre Sympathien. Sie erleichterten den Muslimbrüdern, von München aus in Westdeutschland Fuss zu fassen. Laut Meining war es Oberländers Vertreter Gerhard Wolfrum, der die 1956 initiierte Aktion zu Erfassung und Beeinflussung von heimatlosen Ausländern im Bonner Interesse leitete. Hinzu kam Mendes Büro für heimatvertriebene Ausländer in Düsseldorf. Er und sein Netzwerk habe die Führung der bundesdeutschen Islampolitik übernommen. So stiegen Muslime, einst Freiwillige der Wehrmacht, der Nationalkomitees und SS zu Jihadis gegen die Sowjets und den Kommunismus auf: in Europa, Sowjetasien, Mittelost und Amerika. Dies erhellt auch Said Ramadans Weg, ab 1958 in Genf, dem der ex-Großmufti Amin al-Husaini half.
Der deutsche "politische Islam" wurde nicht 1958 im Münchner Moscheeverein geboren, sondern 1898 [1] in Berlin. Davon abgesehen, zeigt Meining in seinem hochaktuellen Band, wie Deutsche solche Muslime zum Teil Deutschlands gemacht haben. Dies ist gut erhellt, recherchiert und empfehlenswert in einer Ära, die dieser nüchternen Sachlichkeit bedarf.
Anmerkung:
[1] Vgl.: http://www.trafoberlin.de/pdf-dateien/2010_12_15/Wolfgang%20G%20Schwanitz%20Sarrazin.pdf [PDF-Dokument]
Wolfgang G. Schwanitz