Markwart Herzog / Huberta Weigl (Hgg.): Mitteleuropäische Klöster der Barockzeit. Vergegenwärtigung monastischer Vergangenheit in Wort und Bild (= Irseer Schriften. Studien zur Wirtschafts-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte. N.F.; Bd. 5), Konstanz: UVK 2011, 399 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-3-86764-189-0, EUR 49,00
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Als fünfter Band (Neue Folge) der Irseer Schriften liegt nun die Publikation zur Tagung "Barocke Klöster in Mitteleuropa: Visualisierung monastischer Vergangenheit in Wissenschaft und Kunst" der Schwabenakademie Irsee vor. Wie die Tagung vom 6. bis 8. Oktober 2006 befasst sich ihre Veröffentlichung in interdisziplinärer Breite und, der Titel besagt es bereits, in überregionaler Weite intensiv mit der Fragestellung, wie im 17. und im 18. Jahrhundert Orden und Klöster mit ihrer eigenen Vergangenheit, ihrer Historie umgingen, waren es doch Orte, die von einem tiefen Traditions- und Geschichtsbewusstsein geprägt waren (21).
Orientiert am Tagungsprogramm sind die Artikel auf drei Sektionen verteilt: Stifter und Gründer, Geschichte und Identität sowie Bewahren und Erinnern. Ein Personenverzeichnis am Ende der Publikation ermöglicht einen schnellen Zugriff für eigene biographische Studien. Überhaupt ist jeder Artikel übersichtlich in einzelne Kapitel gegliedert, die bereits im Inhaltsverzeichnis mit ihren Überschriften gelistet erscheinen. Eine vielleicht auf dem ersten Blick marginal erscheinende Notiz, jedoch erweist sich dieser Aufbau des Inhaltsverzeichnisses bei der näheren Beschäftigung mit den vielschichtigen Beiträgen als sehr hilfreich. Die einzige Kritik an der formalen Aufmachung der Veröffentlichung betrifft die Qualität der Abbildungen. Hier hätte man sich häufig eine bessere Wiedergabequalität gewünscht, insbesondere da die kunsthistorischen Betrachtungen, wie beispielsweise bei der Beschreibung und Deutung der Freskenausstattung im Konventgebäude des westböhmischen Zisterzienserklosters Plass von Stepán Vácha und Martin Mádl mit den beigegebenen Fotographien eine notwenige Ergänzung erhalten. Gerade die Neubeurteilung dieser bildnerischen Werke als Quelle einer sich in dieser Zeitepoche ergänzenden Betrachtung von historiographischen Studien in den Ordens- oder Konventsarchiven und der daran anschließenden Visualisierung in der Klausur und darüber hinaus auch im öffentlichen Raum der Klosterkirchen machen diesen Tagungsband so informativ und wichtig.
Im 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts regenerierte sich das Ordensleben aus den breiten Reformströmungen des Spätmittelalters. Begleitet wurde diese ordenstheologische Neubelebung durch die Straffung von Leitung und Administration, Zentralisierung der Verfassung sowie der Ausbildung, die vielfach nicht mehr allein in der Hand der Einzelkonvente lag, sondern eine Vereinheitlichung auf Provinzebene erhielt. Die geistig-theologischen Diskussionen im Zuge der einzelnen Ordensreformen und die teils umfangreichen Neuordnungen im inneren Aufbau und der Verwaltung bildeten die Voraussetzungen für eine intensive systematische Erschließung der Quellen und deren Archivierung. Geschult im Quellenstudium und der Erforschung historischer Sachverhalte erarbeitete jeder Konvent Chroniken und Annalen, die dann aufgrund ihrer identitätsstiftenden Bestimmung auch auf vielfältige Weise visualisiert wurden.
Innerhalb des Oberpunkts "Stifter und Gründer" wird dieser Sachverhalt in der Ausmalung einiger Stiftskirchen im 18. Jahrhundert deutlich, in deren Neuausstattung und Freskierung besonders die Gründungspersönlichkeiten ins Zentrum des Bildprogramms rücken oder wie am Beispiel der ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftskirche Baumburg die zweite feierliche Bestattung der Stifterin Adelheid von Megling nach der Wiederentdeckung ihrer Grablege (Anna Elisabeth Bauer: Die Geschichte enthüllt die Wahrheit). Überhaupt bot die bildliche Präsentation von Stiftern die Möglichkeit einer Veranschaulichung einstiger Größe und einstigen Ansehens. In den Rechtsstreitigkeiten einzelner Konvente, wie zum Beispiel des Benediktinerklosters St. Mang bei dessen Versuch der Wiedererlangung der Reichsunmittelbarkeit und damit der Autonomie vom Hochstift Augsburg, bildeten die Stifter, in diesem Fall König Pippin I. und Karl der Große, die Garanten einstiger Größe. Durch deren Darstellung als Büsten mit Medaillonrahmen, einer antiken Bildnisform, die den römischen Kaisern vorbehalten war, inszenierte man, sich der ikonographischen Bedeutung bewusst, seine besondere Exklusivität (Franz Matsche: Fundant et orant).
Auch unter dem Oberpunkt "Geschichte und Identität" wird deutlich, dass die Aufarbeitung der Ordens- oder Konventsgeschichte und deren bildnerische Umsetzung nun auf eine bewusst kalkulierte Außenwirkung abzielten. Neben den immer wieder hervorgehobenen Gründungs- und Stiftungsdarstellungen waren es auch die geistigen Verdienste eines Ordens, derer man sich erinnerte oder in deren Tradition man sich sah. So erstellte der Propst des Augustiner-Chorherrenstifts Polling Franz Töpsl ein Lexikon zu 2.700 Ordensschriftstellern und deren wissenschaftlichen Leistungen. 200 Porträts der im Lexikon bedachten Gelehrten komplettierten dieses Vorhaben (90 haben sich erhalten). Für sie wurde die pinacoteca innerhalb der Klausur geschaffen, die zusammen mit der im Ausbau befindlichen Bibliothek Ansehen, aber auch wissenschaftliche Autorität des Ordens auf breitestem Raum verkörperte. So wurde ein Raumprogramm ersonnen, das den Orden als Ort intensiver Studien und Forschungen sowie Bewahrer wissenschaftlicher Erkenntnisse besonders würdigt (Wolfgang Jahn: Vergessene Texte - vergessene Bilder).
Wie sich Konvente ihres gegenwärtigen Ansehens über die eigene bedeutungsvolle geschichtliche Entwicklung bewusst wurden, sei es durch Neuarrangement alter Ausstattungsstücke, durch Jahresfeste oder die Vergegenwärtigung besonderer Ereignisse und Handlungen in Form der bildnerischen Ausstattungen von Neu- und Umbauten, erforschen die unter der Überschrift "Bewahren und Erinnern" stehenden Artikel. So erhielten beispielsweise innerhalb dieses Inszenierens der Vergangenheit die mittelalterlichen Ausstattungstücke ab 1700 eine erweiterte Aufgabe, indem sie in neu geschaffenen künstlerischen Fassungen beziehungsweise in einem neuen räumlichen Kontext als ehrwürdiges Bildwerk die institutionelle Vergangenheit visualisierten und so identitätsstiftende Funktionen übernahmen (Tobias Kunz: Inszenierte Vergangenheit).
Wie schon die Tagung, so veranschaulicht nun auch ihre Publikation in den durchgehend detailreichen Artikeln die vielfältigen Formen von Visualisierungsmaßnahmen und die große Vielgestaltigkeit der Traditionsinszenierungen, die die einzelnen Klöster und Orden in Bezug auf die Aufarbeitung und Würdigung ihrer Historie im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts entwickelten. Dabei ist es den Autorinnen und Autoren gelungen, innerhalb der klar strukturierten Sektionen die Aufgaben und Bestimmungen monastischer Historiographie entsprechend den unterschiedlichen Anforderungsprofilen von Repräsentation, Rechtfertigung und Tradition methodisch klar herauszuarbeiten. So entstand eine Arbeitsgrundlage, die den Blick auf die Wirkungsmechanismen der zu dieser Zeit nebeneinander existierenden Formen von aufklärender, durchaus modern zu verstehender quellenkritischer Aufarbeitung der Archive und narrativer Legendenerzählung richtet. Es ist gerade diese Heterogenität des Umgangs mit der eigenen Historie in den Klöstern des 17. und 18. Jahrhunderts, die hier eine vielschichtige interdisziplinäre Deutung und Erläuterung erfährt. Damit stellt die Publikation eine fundierte Basis für weitere Forschungsarbeiten zu diesem Themenfeld dar.
Katja Hillebrand