Walther Mediger / Thomas Klingebiel: Herzog Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg und die alliierte Armee im Siebenjährigen Krieg (1757-1762) (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens; Bd. 129), Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2011, 1112 S., ISBN 978-3-7752-5930-9, EUR 59,00
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Mark H. Danley / Patrick J. Speelman (eds.): The Seven Years' War. Global Views, Leiden / Boston: Brill 2012
Klaus-Jürgen Bremm: Preußen bewegt die Welt. Der Siebenjährige Krieg 1756-63, Stuttgart: Theiss 2017
Marian Füssel (Hg.): Der Siebenjährige Krieg 1756-1763. Mikro- und Makroperspektiven, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2021
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Christopher Clark: Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600-1947, München: DVA 2007
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Marcus von Salisch: Treue Deserteure. Das kursächsische Militär und der Siebenjährige Krieg, München: Oldenbourg 2009
2007 ist Eberhard Kessels Das Ende des Siebenjährigen Krieges 1760-1763 in zwei Teilbänden erschienen. [1] Das Werk bildete den Abschluss der von der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II des Großen Generalstabs der preußisch-deutschen Armee seit 1890 begonnen Reihe über die "Kriege Friedrichs des Großen". Es ist eine in jeder Hinsicht detail- und informationsreiche Publikation von grundlegender Bedeutung, denn sie beruht auf Quellen, die am Ende des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen sind und auf vom wilhelminischen Zeitgeist unabhängigen Überlegungen und Gedanken. Die Dichte von Kessels Ausführungen, so wurde geschlossen, werde wohl nicht mehr zu erreichen sein. Doch mit Walther Medigers und Thomas Klingebiels Herzog Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg und die alliierte Armee im Siebenjährigen Krieg liegt nun ein Werk vor, das es an Informationsgehalt, Detailreichtum und Urteilskraft mit Kessels Bänden aufnimmt.
Das Buch beruht auf einem Manuskript, das im wissenschaftlichen Nachlass Medigers gefunden wurde. Es enthielt mehrere ausformulierte Kapitel über die Feldzüge Ferdinands von Braunschweig von 1757 bis 1761. Mediger hatte ursprünglich eine breitangelegte Biografie des Herzogs schreiben wollen, hatte dafür auch "über mehrere Jahrzehnte" (8) Material gesichtet und gesammelt. Doch "in den letzten Jahren vor seinem Tod fehlte ihm die Kraft, seine Pläne zu vollenden" (8). Im Auftrag von Medigers Sohn hat deshalb Thomas Klingebiel "nicht nur den Anmerkungsapparat vervollständigt, sondern weit darüber hinaus gestaltend eingegriffen, indem er Doppelungen und Brüche beseitigt, notwendige Übergänge hergestellt und vor allem die unvollständige Darstellung des Feldzugs 1761 zu Ende geführt und die fehlende Schilderung des Feldzugs 1762 völlig neu eingefügt hat", wie Jost Mediger in seinem Vorwort (7-9) schreibt.
Der Band wird eröffnet mit einem 1959 von Walther Mediger in Minden gehaltenen Vortrag über "Ferdinand von Braunschweig und Friedrich der Große" (11-32), dessen Manuskript sich ebenfalls im Nachlass fand. Die Betrachtung Ferdinands steht dabei, wie hätte es zu jener Zeit anders sein können, stets im Schatten des preußischen Königs, der immer Maßstab der Einordnung ist. Die Gegensätze, die sich zwischen den beiden Persönlichkeiten nach Ferdinands Berufung an die Spitze der Alliierten Armee auftaten, werden nur wenig und sehr moderat berührt (30-31).
Walther Mediger hätte den Beitrag heute wohl nicht mehr publiziert, und vielleicht wäre es besser gewesen, darauf in dem Band zu verzichten. Natürlich sollte über das Militärische hinaus das Verhältnis zwischen Herzog und König auch im Menschlichen wenigstens knapp angesprochen werden. Allerdings sind als Leitlinie für die folgenden fast 1000 Seiten die Ausführungen von 1959 wenig geeignet.
Was folgt, ist die analysierende Beschreibung der Feldzüge Ferdinands von Braunschweig, gegliedert nach den einzelnen Feldzugsjahren, beginnend mit Ferdinands Übernahme des Oberbefehls über die Alliierte Armee im November 1757 (45-160) über den Sommerfeldzug von 1758 (161-315), die Kampagne von 1759 (317-476), die von 1760 (477-618) und den Sommerfeldzug von 1761 (619-768) bis zur Kampagne von 1762 (769-896). Mediger und Klingebiel, der die letzten Monate des 1761er Feldzugs und die Kampagne von 1762 auf der Grundlage der Exzerpte und Notizen Medigers nachzeichnet, folgen den Ereignissen des Krieges bis ins Detail. Auch die Bewegungen des französischen Gegners werden in die Darstellung einbezogen, trotz der Nutzung der Archives de la Guerre in Vincennes ohne die dichte, tiefe archivalische Basis, die den Operationen der Alliierten Armee zugrunde liegt. Deren Planungen und Erwartungen werden fast minutiös aus den Akten der Niedersächsischen Staatsarchive Hannover, Wolfenbüttel und Bückeburg, den Staatsarchiven Münster und Marburg, den National Archives, der British Library und dem Familienarchiv Sporcken erörtert, der Verlauf der Kampagnen wird diskutiert, deren Ergebnisse werden geprüft und kommentiert.
Dies alles geschieht auf ausgewogene, dem Protagonisten des Buches durchaus kritisch begegnende Weise. So stellt etwa Mediger "Ferdinands Schlachtenlegende" von Minden 1759, festgehalten in der Relation des Herzogs über den Schlachtverlauf, richtig. Diese Darstellung ist wichtig für die Auseinandersetzung mit dem britischen Befehlshaber George Germain, Viscount Sackville, der trotz Ferdinands Befehl mit der Kavallerie des rechten Flügels nicht in die Schlacht eingegriffen hatte und deshalb der Feigheit bezichtigt worden war. In seiner Relation bezeichnete Ferdinand "den Angriff der britisch-hannoverschen Infanterie, der die Schlacht entscheiden sollte, als Folge eines Missverständnisses" (431).
Anhand des Berichts eines Verbindungsoffiziers aber kann Mediger zeigen, dass dem nicht so war. Die Ursache für das ungestüme Vorgehen der alliierten Infanterie "war vielmehr der an [den General] Spörcken ergangene Befehl Ferdinands, sogleich zum Angriff anzutreten. Ferdinand wollte aber gerade diesen Sachverhalt verschleiern und seine Folgen gewissermaßen den Einwirkungen einer höheren Macht zuschrieben". Der Grund für Ferdinands Verschleierung war, "dass Sackville ihm vorgeworfen hatte, die britisch-hannoversche Infanterie übereilt zum Angriff getrieben und damit in eine Notlage gebracht zu haben, die er wiederum durch Herbeiholung der Kavallerie des rechten Flügels zu beheben gesucht hätte" (432). Auch dass der Herzog keine hinreichenden Dispositionen für die Schlacht getroffen habe, hatte Sackville ihm - im Augenblick der Schlacht wohl nicht zu Unrecht - vorgehalten (430f.).
Der Anhang (911-1056) versammelt, herausgelöst aus der Chronologie, in knapper Weise grundlegende Informationen über das hannoversche und englische Kommissariat sowie über die Ergänzung und Verstärkung der Alliierten und Französischen Armee. Ebenso wird die wirtschaftliche Bedeutung der besetzten Gebiete für die Alliierte Armee untersucht. Um sich die notwendig Unterstützung zu sichern, ging Ferdinand keineswegs zimperlich vor (1045). Auch schöpfte er "unbedenklich aus den ihm zur Verfügung stehenden Geldquellen, um einzelnen Personen Belohnungen zu erteilen oder Unterstützung zu gewähren" (1049).
Die ganz überwiegend chronologische Darstellung von Mediger - und Klingebiel - ist aufgrund ihrer Materialgrundlage und Materialdichte von großer Bedeutung. Sie kann eine sichere Grundlage sein für systematische Untersuchungen einzelner Problemfelder, wie zum Beispiel eine Kommandostruktur im Krieg, das heißt im Lager oder auf dem Marsch oder in der Schlacht, nicht theoretisch, sondern tatsächlich funktionierte; wie sehr die Ereignisse vom kommandieren Feldherrn abhingen oder doch von den einzelnen Unterbefehlshabern größerer oder kleinerer Truppenteile. Das Buch enthält zudem immer wieder Informationen und Urteile über den Herzog Ferdinand von Braunschweig. Sie sind vor dem Hintergrund, dass eigentlich eine Lebensbeschreibung des Herzogs entstehen sollte, das eigentliche Vermächtnis Medigers: für eine vielleicht in der Zukunft erscheinende Biographie der klugen und selbstbewussten Persönlichkeit Ferdinands.
Anmerkung:
[1] Eberhard Kessel: Das Ende des Siebenjährigen Krieges 1760-1763; Teilband 1: Torgau und Bunzelwitz. Teilband 2: Schweidnitz und Freiberg. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Thomas Lindner, Paderborn 2007.
Jürgen Luh