Kathleen Walker-Meikle: Medieval Pets, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2012, X + 180 S., 9 Farb- , 20 s/w-Abb., ISBN 978-1-84383-758-9, GBP 25,00
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Mit der in unserer modernen Gesellschaft zunehmenden Entfremdung des Menschen vom Tier hat sich die Forschung der letzten Jahre vermehrt den Tieren wie auch dem Mensch-Tier-Verhältnis zugewandt. Im Rahmen ihrer Londoner Dissertation von 2007, die nunmehr in überarbeiteter Form gedruckt vorliegt, hat sich Kathleen Walker-Meikle am Beispiel des Haustieres mit einer besonderen Mensch-Tier-Beziehung im Mittelalter befasst. Haustiere charakterisiert sie im einleitenden ersten Kapitel als kategoriale Erschaffung des Menschen und begreift darunter zumeist kleine Tiere, die in Innenräumen gehalten wurden, einen Namen bekamen und keinen offensichtlichen Nutztiercharakter hatten. Daran anknüpfend versteht sie Haustiere als Gender-Marker, da Haustierhalter vornehmlich Frauen und Kleriker waren, die sich wie ihr Haustier in geschlossenen Räumen bewegten. Besonders interessiert sie - neben dem Gender-Aspekt - die emotionale Bindung des Halters an sein Haustier und die Rolle des Haustiers als Gefährte. Auch wenn eigentlich jedes Tier zum Haustier werden konnte, scheint es bevorzugte Arten gegeben zu haben, wie Hunde, Katzen, Affen, Vögel, Eichhörnchen, Frettchen und Kaninchen. Haustiere, so die These, verwischen die Grenzen zwischen Tieren und Menschen (1), denn man verwöhnte, fütterte und behandelte sie wie einen Teil des Haushaltes. Diese Erkenntnisse werden in den folgenden Kapiteln, die sich mit dem Erwerb, dem Wohlergehen, dem Leben mit Haustieren sowie mit ihrer Darstellung in Malerei und Literatur auseinandersetzen, anhand von Abbildungen und ausführlichen Quellenzitaten aus unterschiedlichen Textgattungen - wie unter anderem Rechnungen, Briefe, Gedichte, Rechtstexte und Bilder - untermauert und vertieft.
Im zweiten Kapitel beschäftigt sich Walker-Meikle mit dem Erwerb und dem Verlust von Haustieren. Häufig lassen sich Haustiere als Geschenke an adelige Frauen nachweisen. Hier akzentuiert sie das Gender-Thema, indem sie in der Geschenkpraxis einen Unterschied zu den Tier-Geschenken an Männern festhält. Diese bekamen meistens Tiere geschenkt, die nicht primär als Gefährten dienen sollten. Auf Grund der Quellenlage ist es schwer abzuschätzen, wie der Markt für Tiere genau aussah, und welcher monetäre Wert ihnen zukam. Elaboriert wird die Problematik vornehmlich am Beispiel der Katzen. Sie hatten durchschnittlich wohl geringen Wert, bis man im 14. Jahrhundert begann, sie aus Syrien zu importieren. Züchtungen sind kaum belegbar, jedoch nicht völlig unbekannt. Aussagekräftig ist das Quellenmaterial zum Tod von Haustieren, da sich neben archäologischen Befunden auch Briefe über ihren Tod sowie Epitaphe erhalten haben. Insgesamt stellt Walker-Meikle heraus, dass der Tod von Haustieren als emotional sehr belastend empfunden wurde, was für die enge Bindung des Halters zu seinem Tier spricht.
Das Wohlergehen der Tiere ist das Thema des dritten Kapitels, das sich neben der Pflege der Haustiere auch der sie umgebenden materiellen Kultur zuwendet. Die Fütterung und vor allem die Überfütterung von Haustieren zeigen zum einen den Reichtum des Besitzers, zum anderen schlägt sich hierin seine emotionale Bindung an das Tier nieder. Die Hervorhebung des eigenen sozialen Status über das Haustier geschah darüber hinaus durch dessen Ausstattung mit Accessoires. So sprechen archäologische Funde wie Bilder für eine reiche Ausstaffierung der Tiere mit wertvollen Halsbändern, Käfigen und Kissen.
Das vierte Kapitel widmet sich dem Leben mit den Tieren und nimmt eine der Definitionen des ersten Kapitels wieder auf, indem es sich mit den Räumen auseinandersetzt, in denen sich Haustiere aufhielten. Haustiere wurden meistens im Haus gehalten, wo ihnen alle Zimmer, sogar intime wie das Schlafzimmer, offenstanden. Selbst wenn Haustiere nach draußen gelassen wurden, scheint man sie kaum unbeaufsichtigt oder nur in eingefriedete Räume gelassen zu haben. Gleiches gilt, wenn sie auf Reisen mitgeführt wurden. Zudem wendet sich Walker-Meikle dem Thema der Haustiere in geistlichen Gemeinschaften zu, wo sie zwar häufig verboten waren, da sie durch die Ablenkung, die sie schufen, vermeintlich das Seelenheil gefährdeten, aber häufig - vor allem wenn sie klein waren - dennoch geduldet wurden. Ähnlich ging man an den Universitäten vor. Hier identifiziert Walker-Meikle auch eine weitere Gruppe von Hautierhaltern, nämlich die Gelehrten, die sie allerdings nicht in das übergreifende Gender-Thema einordnet.
Bilder sind die Grundlage für das fünfte Kapitel, wobei Bildquellen auch in den anderen Kapiteln vielfach als Belege verwendet werden. Haustiere werden häufig sowohl als sehr enge Gefährten wie mit großer Zuneigung zu ihnen abgebildet. Gleichzeitig lässt sich anhand der Malerei eine enge Beziehung zwischen Status und Selbstverständnis der abgebildeten Personen sowie der Darstellung von Haustieren feststellen. Letztere werden zu einem Spiegel des Selbstbildes. Das Kapitel ist wie die anderen Kapitel durch schwarz-weiße Abbildungen ergänzt. Der Band enthält auch einige Farbabbildungen, die unverständlicherweise völlig aus dem Zusammenhang gerissen im ersten Teil der Endnoten eingefügt wurden.
Im sechsten Kapitel wendet sich Walker-Meikle dem Haustier in der Literatur zu. Hier skizziert sie zum einen die Rolle von Haustieren in der höfischen Literatur als Bestandteil der Beziehung von Liebenden, zum anderen beschäftigt sie sich mit der Dichtung über Tiere. Teils orientiert sich diese Dichtung an antiken Vorbildern. Trotz der Topoi ist sie stark emotional geprägt und verweist auf die persönliche Beziehung des Halters zu seinem Tier.
Zwar hat Walker-Meikle ein quellengesättigtes und facettenreiches Panorama des Phänomens von Haustieren und der menschlichen Beziehungen zu ihnen eröffnet, dennoch hätte man sich an der einen oder anderen Stelle eine stärkere Kontextualisierung und vertiefte Analyse gewünscht. So lässt sie manches instruktive Beispiel als Quellentext kaum erläutert stehen (zum Beispiel 20, 61f., 63f.) und greift auch eigene Thesen nicht immer wieder auf, wenn sie beispielsweise eine Untersuchung der Haustiere als gender-marker bei den Gelehrten unterlässt. Ferner hätten Veränderungen deutlicher benannt und konkret gefasst werden müssen. Zwar verweist Walker-Meikle darauf, dass das Haustier als Begriff im Englischen erst im 16. Jahrhundert geläufig wurde (1) und ein Großteil des Quellenmaterials erst aus der Zeit ab dem 13. Jahrhundert stammt (mit einem Schwerpunkt im 15. Jahrhundert), doch werden diese Umstände nicht reflektiert. Nichtsdestotrotz ist Walker-Meikle ein unterhaltsames und gut geschriebenes Buch gelungen, das ein lebendiges Bild der Haustierhaltung im Mittelalter zeichnet und gleichzeitig zeigt, wie vielschichtig diese besondere Mensch-Tier Beziehung war.
Miriam Czock