Lukas Straumann: Raubzug auf den Regenwald. Auf den Spuren der Malaysischen Holzmafia, Zürich: Salis Verlag 2014, 384 S., zahlr. Farbabb., ISBN 978-3-906195-05-6, EUR 24,95
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Die Bedeutung der Regenwälder für die Erhaltung der Biodiversität und den Schutz des Weltklimas ist unbestritten. Internationale Organisationen und NGOs treten für deren Bewahrung bzw. deren nachhaltige Nutzung ein. So auch der Schweizer Bruno Manser Fonds, der sich dem Schutz der letzten Primärurwälder Borneos und der dort lebenden Indigenen verschrieben hat. Dessen Geschäftsführer, der Umwelt- und Technikhistoriker Straumann, reflektiert über die im Titel genannte "Holzmafia" und das Engagement des Fonds. Er berichtet von Schurken und "edlen Helden", wobei er immer wieder Perspektivwechsel zwischen Reportagen über den Schweizer Umweltaktivisten Bruno Manser, historischen Rückblenden und den Aktivitäten des Ministerpräsidenten von Sarawak, Taib Mahmud, bietet. Dieser dominiert seit ca. 50 Jahren den malaysischen Bundesstaat. In dieser Zeit habe sich Sarawak von einem Hotspot der Biodiversität zu einem "Hotspot der globalen Krise der Tropenwälder" gewandelt.
Straumann berichtet in dem in zehn Kapitel gegliederten, reich bebilderten Werk zunächst über ein von Taib weltweit aufgebautes Immobilienimperium. Einen Überblick über anthropologische Feldforschungen über das indigene Volk der Penan aus dem Inneren Borneos überschreibt er mit "Das verlorene Paradies". Immer wieder seien Forscher der Faszination der "Urwaldnomaden und ihrem einzigartigen Lebensraum" erlegen. Sodann beleuchtet er die Kolonialgeschichte Nordborneos von 1841 bis 1963, die einem "Abenteurerroman" gleiche, der sich "statt im Wilden Westen im Fernen Osten" abspielte. Nach der Unabhängigkeit bzw. Eingliederung in den malaysischen Staat übernahm Taib, der "Machaivelli von Sarawak", 27-jährig 1963 in der ersten Regierung ein Regierungsamt - seit 1981 amtiert er als Ministerpräsident Sarawaks.
"Blasrohre gegen Bulldozer" - so überschreibt Straumann die Kämpfe der Penan gegen die den Regenwald zerstörende Forstpolitik des Taib-Clans. Im Mittelpunkt der Darstellung steht fortan Bruno Manser. Der Schweizer, ein "passionierter Naturliebhaber und Menschenfreund" und "kultureller Überläufer", habe ab 1984 bei den Penan für sechs Jahre "sein Paradies" gefunden und "die Sache der Penan und den Schutz der Urwälder von Borneo zum Hauptinhalt seines Lebens" gemacht. Über spektakuläre Öffentlichkeitsaktionen gelang es ihm ab 1986, der Regenwaldabholzung internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen. Seit einer Reise 2000 gilt er als verschollen. Der von ihm gegründete Fonds unterstützt seither die Penan dabei, die Moderne mit den Mitteln der Moderne zu bekämpfen: Auf der Basis von Oral History und kolonialen Überlieferungen entstanden gerichtsverwertbare Kartierungen, die bei Landrechtsklagen als Beweismittel eingebracht wurden.
Im Kapitel "Offshore-Geschäfte" zeichnet Straumann die Verwicklung internationaler Banken in die Geschäftspolitik Taibs nach. Unter der Überschrift "Spur der Zerstörung" schildert er, dass weltweit tätige brutal agierende "Holzbarone" nicht nur in Sarawak sondern auch in anderen Teilen der Erde für die Abholzung der Regenwälder verantwortlich zeichnen. Auf Sarawak selbst sei eine "Grüne Wüste" entstanden; nach den Abholzungen seien auf Borneo frühere Waldflächen in riesige Ölpalmplantagen umgewandelt worden, mit der Folge eines drastischen Artenschwundes (-85%).
Im Schlusskapitel sieht Straumann - bezogen auf das zivilisationsabgewandte indigene Volk der Penan - ausgerechnet in der "Revolution der Kommunikationswege" eine Chance, dass das autokratische und korrupte Taib-Regime enden könnte. Dem von Taib erhobenen Vorwurf, ausländische NGOs mischten sich in die inneren Angelegenheiten ein und versuchten so, "Sarawak zu rekolonialisieren", hält er drei Argumente entgegen. Taib verletzte "kontinuierlich und systematisch die Menschenrechte der indigenen Bevölkerung" und verstoße somit gegen die UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker. Die in Sarawak grassierende Vetternwirtschaft wiederum verstoße gegen die UN-Konvention gegen Korruption. Schließlich habe die Politik Taibs zur "systematischen Zerstörung des Regenwaldes von Borneo, eines jahrtausendealten Lebensraumes mit einer Vielzahl von endemischen Tier- und Pflanzenarten und einer indigenen Kultur" geführt, der international begegnet werden müsse.
Nach dem internationalen Umweltrecht hätten alle Staaten eine gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung für die globale Umwelt zu tragen. Dieses Prinzip werde von den Entwicklungs- und Schwellenländern eingesetzt, damit die industrialisierten Staaten für die Beseitigung von Umweltschäden zu zahlen hätten. Straumann fordert diesbezüglich einen Paradigmenwechsel gegenüber Rio 1992: "Staaten, deren Biodiversität besonders reichhaltig und von globaler Bedeutung sind, müssten aktiv werden zu deren Schutz." Hier stünden Malaysia und andere Staaten mit tropischen Regenwäldern eindeutig in der Pflicht.
Diese Position irritiert und lässt den Eindruck entstehen, dass die von ihm vertretene NGO eine neopaternalistische Naturschutzpolitik verfolgt. Bei aller höchst berechtigten Kritik am korrupten Taib-Regime steht diese Schlussfolgerung doch im Widerspruch zu bisher auch im "Norden" akzeptierten Folge-Ursachen-Analysen. Danach liegt der entscheidende Schlüssel zur Lösung der weltweiten Umweltprobleme im "Norden", hat dieser doch nicht nur die eigene Natur weitestgehend früher selbst ruiniert und zudem bietet dessen Nachfrage doch erst die wirtschaftliche Grundlage für die Regenwaldabholzung. Zwar fordert auch der Manser Fonds zu Konsumänderungen in der nördlichen Hemisphäre auf. Da sich der Naturschutz hier offensichtlich nicht durchgesetzt hat, kann die Schlussfolgerung aber nicht lauten, dass die Lasten, die mit der Erhaltung der Biodiversität verbunden sind, nun weitestgehend den Ländern des Südens oder den Schwellenländern im Regenwaldgürtel der Erde aufzuerlegen sind.
Letztlich fordert Straumann das, was bereits 1913 ein anderer Schweizer, Paul Sarasin, auf der ersten Weltnaturschutzkonferenz - vor dem Hintergrund kolonialer Gräueln an indigenen Völkern - auf die Agenda gesetzt hatte: einen "anthropologischen Naturschutz". Danach waren Indigene letztlich genauso Objekte des Naturschutzes wie bedrohte Fauna und Flora. [1] Zwar thematisiert die 1992 in Rio verabschiedete Agenda 21 in Kapitel 26 auch die Rolle der Indigenen, jedoch unter dem Leitmotto "Anerkennung und Stärkung". Ungestellt bleibt die Frage, ob die zum Schutzobjekt des Manser Fonds erkorenen Penan in allen Altersstufen bewusst auf den Status quo ante (vor der Abholzung) hinzielen oder ob sie nicht - insbesondere in der jüngeren Generation - auf sustainable development im Sinne des Rio-Prozesses setzen? Straumanns Ansatz steht in der Kontinuität eines überholten paternalistischen Naturschutzes.
Anmerkung:
[1] Vgl. Anna-Katharina Wöbse: Paul Sarasins "Anthropologischer Naturschutz": zur 'Größe' Mensch im frühen internationalen Naturschutz, in: Naturschutz und Demokratie!?, hgg. v. Gert Gröning / Joachim Wolschke-Bulmahn, München 2006, 207-213; Hans-Werner Frohn / Jürgen Rosebrock: "Bruno, der Bär" und die afrikanische Megafauna. Zum Habitus internationaler Naturschutzakteure, in: Naturschutz im Kontext globaler Entwicklung. Ansätze, Konzepte, Strategien, hgg. v. Karl-Heinz-Erdmann / Jörg Löffler / Sabine Rischer, Münster 2008, 31-57.
Hans-Werner Frohn