Harry Ward: When Fate Summons. A Biography of General Richard Butler, 1743-1791, Washington, DC: AcademicaPress 2014, XI + 236 S., ISBN 978-1-936320-85-1, GBP 21,53
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Die Unhaltbarkeit jenes Pauschalurteils, wonach militärische Biografien als Randerscheinungen der historiografischen Medienlandschaft zu gelten hätten, bedurfte nicht erst eines in den letzten Jahren vor allem auf dem angelsächsischen und frankofonen Buchmarkt festzustellenden Revivals der Militärgeschichte an sich. Zu viele neue Erkenntnisse vermochte die sogenannte New Military History hierfür diesem Genre im Hinblick auf innovativ akzentuierte Aspekte der Sozial-, Mentalitäts- und politischen Geschichte, sowie der Prosopografieforschung zu entlocken.
Einen sprechenden Beleg könnte die Vita Richard Butlers liefern. Als Sohn eines Dubliner Büchsenmachers, der 1748 in die Kolonien auswanderte und zu einem der führenden Hersteller der renommierten Pennsylvania long rifles arrivierte, ist Butler eine Idealillustration seiner Zeit. In den 1770ern als Händler im indianischen Grenzgebiet etabliert, wurde er 1775 zum Indianerkommissar der neuen Regierung, wobei ihm seine bis dahin angesammelten intensiven Kontakte mit den Indigenen zu Hilfe kamen. Als Major im Unabhängigkeitskrieg nahm er an den Schlachten von Saratoga und Monmouth teil und nahm bei Yorktown im Auftrag George Washingtons General Cornwallis' Ehrensäbel als Zeichen der Kapitulation entgegen. Nach Kriegsende führte sein Weg zurück ins Indianergebiet; als Chefunterhändler schloss er zahlreiche Verträge mit den Ureinwohnern, unter denen jene von Fort Stanwix (1784, Abtretung des Irokesenlandes) und von Fort McIntosh (1785) herausragen. 1787 war er einer der ersten Agents for Indian Affairs im Oregon-Gebiet, 1791 kommandierte er als Generalmajor eine Abteilung der St. Claire's Expedition, kam dabei durch eine Tomahawkwunde um und wurde posthum skalpiert.
Es ist mehr denn erstaunlich, zu einer solch pittoresken, einem Cooper-Roman entstiegen scheinenden Figur bislang auf keine gediegene, monografische Studie verweisen zu können. Dieses Desiderat wurde nun durch die hier anzuzeigende Veröffentlichung von Harry M. Ward erfüllt. Der Autor, mit Sicherheit einer der besten Kenner des kolonialen [1], revolutionären [2] und postrevolutionären [3] Nordamerika hat sich mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen zu sehr profiliert, als dass man ihn hier eigens vorstellen müsste. In gleicher Weise zählt er für seine Epoche zu den maßgeblichen Autoritäten auf dem Gebiet der oben skizzierten militärischen Biografie. [4]
Auf knapp zweihundert Seiten ausführlicher, gut lesbarer und nachvollziehbarer Darstellung erhält der Leser ein anschauliches Bild General Butlers und seines mit achtundvierzig Jahren beendeten Lebens. Plastisch arbeitet Ward Kontext, Ereignis- und Wirkungsgeschichte sowohl der östlichen Kriegsschauplätze wie auch des Indianerlandes heraus. Die narrative Gabe des Autors belegt aufs Neue, dass eine detaillierte, grundsolide Dokumentation keineswegs den Schreibfluss hemmen oder gar dem Lesevergnügen entgegenstehen muss, sondern sich im Gegenteil damit idealtypisch ergänzt. Vieles in der aktuellen Diskussion um populärwissenschaftliches Schrifttum und vulgarisation erführe an diesem Beispiel einen Leitfaden, beziehungsweise eine Widerlegung. Unzweifelhaft ist Wards Arbeitsweise streng wissenschaftlich, der nahezu fünfzig Seiten umfassende Dokumentationsanhang, das zahlreiche zum großen Teil erstmals veröffentlichte, respektive erstellte Kartenmaterial, sowie der über dreißig Seiten umfassende Anmerkungsapparat sprechen diesbezüglich eine eindeutige Sprache. Dennoch wirkt die Studie angenehm wenig "akademisch", bleibt das Anliegen des Erzählens und der nachvollziehbaren Authentizität nicht zuletzt dank des reichlich in die Darlegung geschickt und sprechend eingebauten Quellenmaterials nicht nur nicht auf der Strecke, sondern deutlich im Vordergrund. Après lecture steht so ein plastisches Bild von "Mensch und Zeit" vor dem Leser.
Diesen überaus positiven Ergebnissen stehen nur wenige inhaltliche Ergänzungswünsche gegenüber. Sie betreffen zum einen eine etwas stärkere kulturhistorische Verortung der Person, vor allem hinsichtlich Butlers spezifischen und doch typischen "Heldentodes", welcher dann ja quasi stilbildend ein ganzes Genre bis hinein in die populäre Indianerliteratur und dem daraus erwachsenden Indianerbild ("the savage Indian") ausprägte. Zum anderen wirkt es vor allem angesichts der stark im Vordergrund stehenden und ausführlich dokumentierten Indianerproblematik seltsam, dass Ward sich völlig über Butlers intim-menschliche Verbindungen zu den Shawnees ausschweigt. Diese nahmen für den später christlich-amerikanisch verheirateten (aus der Ehe mit Maria Smith gingen vier Kinder, von denen aber nur eines überlebte, hervor) Richter im Allegheny County in seiner vorehelichen Zeit sehr konkrete Züge an: mit der quasi mythischen Indianerchefin Nonhelema (ca. 1720-1786) lebte er in den frühen 1770ern über längere Zeit eheähnlich zusammen [5], aus der Verbindung stammte ein Sohn, welcher als "Captain Butler" oder Tamanatha bekannt wurde. Nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die fast zwei Meter große Indianerin als eine der prominentesten Stammesführer gilt, welche nachdrücklich für eine friedliche Koexistenz mit den Weißen eintraten, erscheint diese Lücke erstaunlich (nicht einmal das Namensregister kennt die beiden Shawnees). Falls Ward den in Quellen und Literatur als zweiten naturrechtlichen Ehemann Nonhelemas verbürgten Butler als eine andere Person identifiziert hätte (was immerhin möglich, aber wenig wahrscheinlich ist), sollte dies doch zumal im Text aufscheinen.
Andere zu konstatierende Einschränkungen richten sich hingegen ausschließlich an den Verlag. So kann generell die Machart des Buches nur als ungenügend bezeichnet werden: Ein ungünstiger Schriftsatz, welcher nahezu die gesamte Seitengröße umfasst, wirkt, als hätte man Papier sparen wollen, die Qualität der Abbildungen und Karten ist zum Teil bis zur Unkenntlichkeit miserabel. Hier hätte Wert und Anspruch des Inhalts eine andere Aufmachung besser angestanden.
Dies aber beeinträchtigt die oben gemachten Beobachtungen nur am Rande. Mit der Veröffentlichung Wards steht nunmehr ein Werk zur Verfügung, welches als wesentlicher Beitrag zu einer entscheidenden Periode nordamerikanischer Geschichte in keiner Bibliothek eines nur irgendwie mit dem Thema Befassten, keinesfalls aber in einer Fachsammlung fehlen sollte.
Anmerkungen:
[1] Harry M. Ward: Colonial America, 1607-1763, Englewood Cliffs, N.J. 1991; ders.: "Unite or Die": Inter-colony Relations, 1690-1763, Port Washington, N.Y. 1971; ders.: The United Colonies of New England, 1643-90, New York 1961.
[2] Harry M. Ward: "Going down hill": Legacies of the American Revolutionary War, Bethesda 2009; ders.: George Washington's Enforcers: Policing the Continental Army, Carbondale 2006; ders.: Between the Lines: Banditti of the American Revolution, Westport, Conn. 2002; ders.: The American Revolution: Nationhood Achieved, 1763-1788, New York 1995.
[3] Harry M. Ward: The War for Independence and the Transformation of American Society, London 2003; ders.: The Department of War, 1781-1795, Pittsburgh 1962.
[4] Harry M. Ward: For Virginia and for Independence: twenty-eight Revolutionary War Soldiers from the Old Dominion, Jefferson, N.C. 2011; ders.: General William Maxwell and the New Jersey Continentals, Westport, Conn. 1997; ders.: Major General Adam Stephen and the Cause of American Liberty, Charlottesville 1989; ders.: Charles Scott and the "Spirit of '76", Charlottesville 1988; ders.: Duty, Honor, or Country: General George Weedon and the American Revolution, Philadelphia 1979.
[5] Vgl. Joan R. Gundersen: Art. "Nonhelema", in: Bernard A. Cook (ed.): Women and War. A Historical Encyclopedia from Antiquity to the Present, 2 Bde., Santa Barbara, CA 2006, vol. II, 434.
Josef Johannes Schmid