Donald J. Harreld (ed.): A Companion to the Hanseatic League (= Brill's Companions to European History; Vol. 8), Leiden / Boston: Brill 2015, VIII + 277 S., ISBN 978-90-04-28288-9, EUR 110,00
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A Companion to the Hanseatic League will eine "state-of-the-field"-Bestandsaufnahme eines vor allem deutschen Forschungsthemas für ein nicht-deutschsprachiges Publikum bieten, ein lobenswertes und notwendiges Unterfangen, das sich in ähnliche Vorhaben des Brill-Verlags einreiht. Die Einleitung von Donald J. Harreld umreißt diesen Rahmen und legt in groben Zügen die Entwicklung der Hanseforschung und ihre aktuellen Themen dar. Dabei versäumt er es nicht, die politische Ausrichtung der älteren Forschung zu erwähnen - legt diese aber deutlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg an, nämlich bei marxistischen Forschern, während er etwa Fritz Rörig und dessen Nähe zum Nationalsozialismus außerhalb der ideologisch geprägten Hanseforschung ansiedelt.
Der erste Teil des Bandes zeichnet die hanseatische Geschichte entlang der Trias "Aufstieg - Blüte - Niedergang" nach, wobei einer Darstellung der Forschungsdiskussion über genau diese wertende Epocheneinteilung wenig Raum gelassen wird. Rolf Hammel-Kiesow beleuchtet "The Early Hanses" (oder Hansas, beide Varianten des Titels kommen vor). Er lehnt sich dabei für den Ostseeraum an das vor allem von der skandinavischen Forschung stark lancierte Paradigma der Europäisierung der nördlichen Peripherie an. Jürgen Sarnowsky beschreibt die Phase, die allgemein als Blütezeit der Hanse angesehen wird, hier "The Golden Age" genannt, hauptsächlich als eine Phase militärischer und diplomatischer Auseinandersetzungen mit Dänemark, mit den Vitalienbrüdern, Holland-Zeeland, mit Novgorod, Flandern und England sowie mit den Landesherren. Auch die städtischen Unruhen in Lübeck, Braunschweig und anderen Hansestädten werden hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der Schwächung der außenpolitischen Positionen durch innenpolitische Veränderungen beschrieben. Michael North beginnt die Beschreibung der Spätzeit der Hanse mit einer Auflistung der Handelsrouten und -güter der Hansestädte in Konkurrenz mit den oberdeutschen Städten, gefolgt von der Wiedergabe des Konflikts um die Niederlassung der englischen "Merchant Adventurers" in Hamburg Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Er nennt die zunehmende politische und militärische Bedeutung der nordischen Länder nach der Reformation als einen der Gründe für die abnehmende Bedeutung der Hanse. Die Darstellung der Ereignisse ist in den Beiträgen dieser Sektion detailgetreu und genau.
Die zweite Sektion des Buchs vereint Beiträge zu Themen der Hanseforschung. Mike Burkhardt beschreibt geografische Besonderheiten, die innere Organisation und Funktion sowie das Alltagsleben vor allem in den Hansekontoren in Brügge, Bergen, London und Novgorod, aber auch der kleineren Stützpunkte im Baltikum, in Skandinavien und England. Hierbei wird vor allem die Fülle von Einzelinformationen deutlich, die Hanseforscher in den letzten Jahrzehnten gesammelt haben, von der Bedeutung der Nachtwache für die Bewohner eines Hansekontors bis hin zum Treffpunkt der Hanseleute in Brügge im Karmeliterkloster. Im Gegensatz dazu sind die politische und kulturelle Bedeutung der Kontore deutlich weniger erforscht worden.
Ulf Christian Ewert und Stephan Selzer gelten innerhalb der Hanseforschung als die Vorreiter der Netzwerktheorie als Methode zur Beschreibung der Sozialstruktur der Hanse, die allerdings ihrer eigenen Einschätzung gemäß aufgrund der erhaltenen Quellen nicht sonderlich komplex ausfallen kann (193). In ihrem Beitrag geben sie einen Überblick über die vielen regionalen und lokalen Studien zu Netzwerken innerhalb der Hanse, so etwa die einiger prominenter Protagonisten wie der Familie Plescow oder Arnd Sudermann, Bürgermeister in Dortmund. Die Testamente Lübecker Bürger sind ebenso zur Netzwerkanalyse herangezogen worden wie die Mitgliedschaften in Bruderschaften und Gilden wie der Schwarzhäuptergilde in Riga. Die engen persönlichen und ökonomischen Beziehungen zwischen Hansekaufleuten werden abschließend als ein Hindernis für die Weiterentwicklung und Expansion der Hanse präsentiert.
Carsten Jahnke schließlich widmet sich dem baltischen Handel als der wichtigsten Kontaktzone der Hanse. Er stellt das Baltikum als eine Region dar, in der der Austausch von Waren aus Zentral- und Osteuropa organisiert wurde, und betont die Interaktion von Städten und Hinterland. Jahnkes Beitrag problematisiert als einziger in diesem Band die Forschungsgeschichte über den baltischen Handel der Hanse, ihre Wurzeln in der Nationalromantik und dem deutschen Kaiserreich und die in diesen Phasen festgeschriebenen Paradigmen über die planvolle Dominanz der Deutschen im Ostseehandel, vornehmlich aus der Schule Dietrich Schäfers und seiner Nachfolger. Er stellt zudem die gesamte Forschung über den baltischen Handel zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Kalten Krieges als extrem regional dar, sowohl wegen politischer Spannungen als auch wegen der verschlechterten Zugänglichkeit der Archive, und stellt fest, dass trotz verschiedener Versuche, diese Strukturen aufzubrechen, noch immer die Hanseforschung sehr auf Deutschland und den "lübeckischen Blickwinkel" fokussiert ist.
Der Band A Companion to the Hanseatic League erreicht sein Ziel, den Status quo der deutschen Hanseforschung für ein internationales Publikum zu präsentieren, und wird sicherlich Verwendung im akademischen Unterricht und als Handbuch finden. Die Beiträge sind nahezu ausschließlich streng ereignisgeschichtlich gehalten und spiegeln damit die primären Interessen der deutschen Forschung wider, auch die zitierte Literatur stellt meist eher die deutsche Forschungslandschaft dar, während in der beigefügten Bibliografie auch viele englischsprachige, aber z.B. kaum polnische Titel zu finden sind. Forschungskontroversen werden angedeutet, aber nicht ausgeführt.
Störend ist, dass außergewöhnlich geringe Sorgfalt auf die Korrektur und die sprachlich-formale Bearbeitung des Bandes gelegt wurde. Sowohl Ortsnamen als auch zentrale Begriffe sind im ganzen Band nicht vereinheitlicht, vor allem bei den Ortsnamen und in den Literaturangaben kommen in fast allen Beiträgen auch zahlreiche Schreibfehler vor. Das Englisch ist von wechselnder Qualität, bis hin zu schlechten Übersetzungen voller unidiomatischer Ausdrücke. Ein Beitrag benutzt ein anderes Zitationssystem als die übrigen. Das Register kann allenfalls als rudimentär bezeichnet werden. [1] Am schlechtesten ist die Einleitung korrigiert worden, hier wimmelt es sowohl im Fließtext als auch in den Fußnoten von Druckfehlern, falschen Kursivierungen etc. Auch in der Literaturliste finden sich zahlreiche Fehler, die vor allem durch die Bearbeitung durch Nicht-Muttersprachler ohne spätere gründliche Kontrolle erklärt werden können. [2] Man kann die zunehmende Bedeutung englischsprachiger Forschungsliteratur kritisieren, wenn sich aber ein internationaler Verlag zur Aufgabe setzt, mit renommierten deutschen Forschern einen Band zu einem hauptsächlich deutschen Forschungsfeld zu produzieren, um zwei oder mehr unterschiedliche Sprach- und Forschungsgemeinschaften in Dialog zu bringen, ist die sprachliche und formale Bearbeitung von zentraler Wichtigkeit und hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.
Anmerkungen:
[1] Nur einige Beispiele: Nuremburg statt Nuremberg (7), nicht im Register. Malar statt Mälaren, Aland statt Åland (19), Malmø statt Malmö (74), Novogorad statt Novgorod (104), keines davon im Register. East Friesia statt Frisia (106, nicht im Register), auch als Friesland im Register. Gustav Wasa statt Vasa (113), nicht im Register. Glücksstadt statt Glückstadt (114), nicht im Register. Vesterålen (144), nicht im Register. Kontor / Kontore, zweimal klein, später meist groß (65, 66). Im Register Torún statt Toruń (167), im Text meist Thorn (67). Scania, Cologne, Saxony, aber Danzig statt Gdansk. Druckfehler allgemeiner Art: "Cologne" wird "Colnun bakit walang qas ogne" (101).
[2] So wird etwa die Großschreibung offensichtlich meist gemäß des englischen Standards gehandhabt: "Hanse und Reich im Handelspolitischen Endkampf Gegen England", "Wie Verdiente der Kaufmann Sein Geld?", was in den dänischen Titeln dazu führt, dass "i" zu kleingesetztem I als Ordnungszahl wird: "Sejren I Kvindens Hånd: Kampen om Magten I Norden". Polnisch ń und ś wird als n und s wiedergegeben. Der Artikel "The Nature of the Firm" stammt nicht von Nicolai Clarus.
Cordelia Heß