Francis D. Cogliano: Emperor of Liberty. Thomas Jefferson's Foreign Policy (= The Lewis Walpole Series in Eighteenth-Century Culture and History), New Haven / London: Yale University Press 2014, XIV + 302 S., ISBN 978-0-3001-7993-4, USD 25,00
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Wenige Gegenstände historischer Betrachtung erleichtern die Bemühungen des Bearbeiters dahingehend, dass sie selbst die Antwort auf die gewählte Fragestellung in einer knapp und präzise formulierten Quellenaussage gleichsam bereithalten. Dies gilt selbst dann, wenn das Sujet biografischer Natur ist. Im vorliegenden Falle aber scheint dem Autor dieses Glück beschieden zu sein: in einer berühmten Textstelle schreibt Thomas Jefferson ganz explizit, was er von den außenpolitischen Größen seiner Zeit und deren Vertretern, also den europäischen Monarchen hält - nämlich gar nichts. Für ihn präsentiert sich diese Szenerie als Agglomerat politischer Idiotie, im Ergebnis herbeigeführt durch exzessiven dynastischen Inzest und eine dem strammen Rationalisten radikaler Prägung untrüglich einleuchtende allgemein kulturelle Dekadenz. Der interessanterweise einzig hier ausgeklammerte Fall, jener des positiv gesehenen Kaisers Alexander I. von Russland, erfährt diese Bevorzugung auch nur mit dem Hinweis auf die hier lediglich zeitversetzt auftretenden oben gemachten Beobachtungen - mit anderen Worten: Russland trete jetzt nur positiv hervor, da es weniger Jahre fürstlicher Degeneration hinter sich habe.
Der vom Verfasser, Francis D. Cogliano, schon auf Seite zwei seiner Ausführungen emblematisch platzierte Schlüsseltext scheint denn auch den Grundtenor des Buches anzuzeigen. Die Jeffersonian Foreign Policy stellt eine grundlegende Konfrontation zweier Ideenwelten dar: auf der einen Seite die aufstrebenden, jungen, patriotisch-republikanischen Vereinigten Staaten, auf der anderen Jahrhunderte aufgehäufter Ignoranz, dynastischer Selbstsucht und politischen Chaos'.
Die folgende, exzellent lesbare und auf eine bislang so nicht aufscheinende Quellenbasis gestellte Analyse des Gegenstandes aber zeigt ein deutlich differenzierteres, vielschichtigeres Gebilde. Jefferson erlebte in seiner Lebensspanne und kraft seiner Positionen, zunächst als Führergestalt im Unabhängigkeitskrieg, dann als Abgeordneter, Gesandter in Europa, Minister und schließlich Präsident der USA, nicht nur Schlüsselphasen in der Geschichte der jungen Republik, er gestaltete diese auch maßgeblich mit. Es ist hier nicht der Platz, ein umfassendes Politpsychogramm des Herrn von Monticello vorzustellen; seine Haltung und Bedeutung innerhalb dieses Prozesses ist allgemein ebenso bekannt wie die zahlreichen Antagonismen zu anderen Hauptakteuren der Zeit, hier seien nur George Washington oder John Adams genannt. Dass Jefferson zumal zeitweilig eine leicht jakobinische Prägung an den Tag legte und Sachverhalte so sah und formulierte, dass seine erwähnten illustren Zeitgenossen dies so niemals unterschrieben hätten, scheint ebenso unstrittig. Auch sollte man sich vor Augen halten, dass die Gründergeneration der jungen Vereinigten Staaten keineswegs ein geschlossenes weltanschauliches, politisches oder philosophisches Programm aufwies, am allerwenigsten in ihrer politischen Elite. Von daher erhält das an sich, vor dem Hintergrund des Titels, im vorliegenden Band etwas deplatziert wirkende erste Kapitel seine Berechtigung. Die Rolle Jeffersons im Unabhängigkeitskampf kann schwerlich dem Kontext seiner Außenpolitik an sich eingebunden werden; allerdings offenbarten sich hier bereits sowohl seine Geisteshaltung, als auch jene seiner Opponenten. Der Konflikt gipfelte in der Überlegung, angesichts der akuten britischen Bedrohung sowie den zeitgenössisch sehr geschätzten römisch-republikanischen Traditionen entsprechend, einen Diktator für die um Loslösung vom Mutterland kämpfende Kolonie zu ernennen. Während dies die Zustimmung der Mehrheit der politischen Vertreter zu finden schien, ging diese klassizistische Analogie Gouverneur Jefferson zu weit: man würde hier einen "Tyrannen" (George III) mit einem anderen vertauschen.
Was folgte, blieb nicht weniger ein Ergebnis politischer Konfrontation, zuvorderst im Inneren des Landes. Alle großen außenpolitischen Maßnahmen der Zeit, vom "Quasi-War" mit Frankreich, über die Formulierung der Neutralität im großen europäischen Kräftemessen und dem Eingreifen in den Barbareskenstaaten bis hin zu dem sich anbahnenden Konflikt mit England (dem War of 1812) waren Gegenstand massivster innenpolitischer Streitigkeiten. Nicht immer gelang es Jefferson sich hier klar zu positionieren, nicht immer war sein Verhalten stringent und konsequent. Dies offenbarte sich am deutlichsten an seiner Haltung zum Vorgehen gegenüber den nordafrikanischen Piratenstaaten an der Barbary Coast. Hatte er als Gesandter noch deutlich für ein klares militärisches Auftreten gesorgt, so blieb sein Vorgehen, einmal in Washington zurück, deutlich ambivalenter. Vor allem die Ablehnung einer permanenten Seestreitkraft scheint sein politisches Bild, vor allem aus der ex post-Perspektive nachhaltig zu trüben.
War die Entwicklung hier über ihn hinweggegangen, so konnte er doch andere, kontinentalamerikanische Kontinuitäten mit auffallender und beeindruckender Konsequenz über einen großen Zeitraum hinweg aufrechterhalten. Der Hauptverdienst der hier anzuzeigenden Studie liegt darin, dies eindrucksvoll herausgearbeitet zu haben - so etwa am Beispiel der Analyse von Jeffersons Position gegenüber Spanien, von der Nootka-Krise der frühen 1790er-Jahre bis hin zu den Bemühungen um die Gewinnung Floridas und die Unterstützung der lateinamerikanischen Aufstandsbewegungen. Gerade hier treten die eingangs erwähnten weltanschaulichen Prämissen des Protagonisten vor jenen der territorialen Ausbreitung der USA zurück, der Titel des Werkes erhält von daher eine sehr spezifisch-sophistische Nuance und weist den Weg zur Expansion unter dem Vorzeichen eines Manifest Destiny - hinein in das 19. Jahrhundert, zum Alamo, zum Amerikanisch-Mexikanischen Krieg, schließlich zur Gewinnung des Westens. Wie Cogliano nachdrücklich aufweist, ist dies alles (auch) Jeffersons Erbe. War schon der Krieg von 1812 nicht nur "Madison's War" - "it might just as well have been dubbed 'Mr. Jefferson's War'" (242) - so gilt dies in höherem Maße auch von der Folgezeit.
Darin liegt ein Gewinn nach Lektüre des vorliegenden Buches: das Hinterfragen liebgewonnener Positionen und (Vor-)Urteile, etwa jenem, wonach Aggression, Krieg und Expansion zuvorderst als Ausfluss rechter, konservativer oder reaktionärer Denksysteme zu sehen seien. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Prozesse und Diskussionen erhält Coglianos Analyse hier eine brennende Aktualität.
Josef Johannes Schmid