Renate Zedinger (Hg.): Innsbruck 1765. Prunkvolle Hochzeit, fröhliche Feste, tragischer Ausklang (= Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts; Bd. 29), Bochum: Verlag Dr. Dieter Winkler 2015, 463 S., ISBN 978-3-89911-235-1, EUR 81,55
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Anlässlich des 250-jährigen Jubiläums der Hochzeit Erzherzog Leopolds mit Maria Ludovika von Spanien und des Todes Kaiser Franz' I. in Innsbruck im August 1765 wurde das 2015 erschienene Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts diesem Ereigniskomplex gewidmet. Allerdings ist der Inhalt des Sammelbands deutlich weiter gefasst, als es der Titel vermuten lässt. Der Band ist in insgesamt vier Abteilungen untergliedert, die mit den Ereignissen des Sommers 1765 in einem mehr oder weniger engen Zusammenhang stehen.
Die erste Abteilung "Zum Aufstieg des Hauses Lothringen" vereint Beiträge zu den Vorfahren und Familienmitgliedern Franz Stephans, angefangen mit seinem Großvater Karl V., der durch seine Heirat mit Eleonore, der Schwester Kaiser Leopolds I., und seine Statthalterschaft in Tirol erste Verbindungen zum Haus Habsburg und zu Innsbruck knüpfte. Im Mittelpunkt des Beitrages von Elisabeth Garms-Cornides zu dem Herzogspaar steht freilich nicht der bekannte Türkenbezwinger Karl V., sondern seine Gemahlin Eleonore, die während der häufigen Abwesenheiten ihres Ehemannes in Innsbruck de facto das Amt einer Statthalterin ausübte, sodass die Autorin hier von einem "Statthalterpaar" spricht. Während der Türkenbelagerung Wiens 1683 wurde Eleonore dann sogar de jure die Statthalterschaft übertragen. Entsprechend seiner Bedeutung für das Haus Lothringen beschäftigen sich zwei weitere Beiträge mit Karl V., gefolgt von zwei Aufsätzen zu den Eltern Franz Stephans. Für Franz Stephan selbst wird hervorgehoben, welch große - und bisher wohl unterschätzte - Bedeutung für den Kaiser die Musik spielte. Etwas aus dem Rahmen dieser Abteilung fällt der letzte Beitrag zu Erzherzogin Maria Elisabeth, der Tochter Maria Theresias und Franz Stephans, die ab 1780 als Äbtissin das nach dem Tod ihres Vaters gegründete Damenstift in Innsbruck leitete. In den Darstellungen zur Familie Maria Theresias wird stets unhinterfragt angenommen, dass die Pockenerkrankung Maria Elisabeths, die ihre zuvor strahlende Schönheit zerstört habe, ihre Verheiratung verhindert habe. Joachim Bürgschwentner stellt diese dramatische Version, die so gut in das gängige Bild von Fürstentöchtern als Opfer der Heiratspolitik passte, infrage, indem er darauf hinweist, dass die älteren Töchter des Kaiserpaares alle relativ spät verheiratet wurden, was an Meinungsverschiedenheiten der Eltern über die Ausrichtung der Heiratspolitik gelegen haben könnte. Die Pockenerkrankung wäre dann nur ein Faktor unter mehreren gewesen, der die Verheiratung der Erzherzogin erschwert haben könnte.
Die zweite Abteilung "Treffpunkt Innsbruck: Sommer 1765" thematisiert dann vor allem die umfangreichen Vorbereitungen für den Aufenthalt der kaiserlichen Familie in Innsbruck und die Reise dorthin. Aus den Beschreibungen wird vor allem deutlich, welchen enormen logistischen Aufwand ein Unternehmen erforderte, bei dem es sich um nicht weniger als die temporäre Verlagerung einer kompletten Residenz an einen vergleichsweise weit entfernten Ort handelte. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass sich zunächst sämtliche Ratgeber Maria Theresias einschließlich ihres Ehemannes gegen die Idee gewandt hatten, die Hochzeitsfeierlichkeiten in Innsbruck stattfinden zu lassen.
In der Abteilung "Erzherzog Leopold und Infantin Maria Luisa - Hochzeitsfeiern mit tödlichem Ende" geht es weniger um die Hochzeitsfeiern selbst, die nur im ersten Beitrag über die Hochzeit in den Berichten des spanischen Botschafters behandelt werden. Dem in der Überschrift angesprochenen "tödlichen Ende" gilt der Beitrag "Franz Stephan von Lothringen - Am Ende des Weges" von Walther Brauneis, der ausführlich den Tod Franz Stephans und die anschließenden Trauerfeierlichkeiten in Innsbruck und in Wien, aber auch die für den Kaiser in den Erblanden und im Reich gehaltenen Trauergottesdienste beschreibt und dabei ein besonderes Augenmerk auf die aus diesen Anlässen jeweils aufgeführte Musik legt. In den beiden anderen Beiträgen steht mit den Staats- und Rechtsreformen Leopolds und dem Palazzo Pitti das Großherzogtum Toskana im Mittelpunkt, in das Leopold mit seiner Gemahlin am 30. August 1765 abreiste, um dort die Herrschaft anzutreten.
Die Abteilung "Spuren ins Heute" thematisiert die umfangreichen Folgen der Ereignisse vom Sommer 1765 für Innsbruck. Denn nach dem Tod ihres Mannes verfügte Maria Theresia, dass sein Sterbezimmer in eine Kapelle umgewandelt und ein Damenstift gegründet werden sollte. Während diese Anordnungen schon wenige Tage nach dem Tod Franz Stephans getroffen wurden, wurde über die endgültige Ausgestaltung des sogenannten "Riesensaales" (nach einem dort befindlichen Herkules-Zyklus) und der benachbarten Räume und deren Umgestaltung im Dienste der Repräsentation der neuen Dynastie Habsburg-Lothringen erst einige Jahre später entschieden. Lieselotte Hanzl-Wachter fasst in ihrem Beitrag knapp die Ergebnisse ihrer Monografie zur Innsbrucker Hofburg zusammen und lässt sehr deutlich werden, dass die 1765 angestoßenen umfangreichen Umgestaltungen in Teilen einem Neubau gleichkamen. Die Beiträge von Werner Telesko und Renate Zedinger gelten dem Bildprogramm des Riesensaales und der angrenzenden Räume, vor allem des Lothringerzimmers. Telesko zeigt auf, dass sich eine vergleichbare Verherrlichung der neuen habsburg-lothringischen Dynastie nur noch in der Maria Theresia-Krypta in der Kapuzinergruft sowie in der Großen Galerie in Schloss Schönbrunn findet. Er sieht in dem Deckenfresko eine Neukonfiguration der Herrscherikonografie, die anti-illusionistisch die Realität in den Vordergrund rückte und statt mythologischer Reminiszenzen das historische Argument betont habe. Renate Zedinger gelingt es in ihrer Analyse der einzelnen Lothringerporträts, einige Personen-Zuschreibungen infrage zu stellen und neue Zuordnungen plausibel zu machen.
Insgesamt bieten die meisten Beiträge eher faktengesättigte Überblicke, als dass sie neue Forschungsergebnisse präsentieren. Deutlich wird in der Zusammenschau, welche weitreichenden Folgen die Ereignisse des Sommers 1765 zeitigten. Unter den Gründen, die für eine Abhaltung der Hochzeit in Innsbruck sprachen, wird unter anderem auch eine Aufwertung bzw. Wertschätzung der Stadt genannt, die seit über hundert Jahren ihre Residenzfunktion verloren hatte. Dass sie diese wenigstens zeit- und ansatzweise wiedergewann, hatte sie nicht der Hochzeit Erzherzog Leopolds, sondern dem Tod des Kaisers zu verdanken, weil mit seiner Tochter Maria Elisabeth als Äbtissin des Damenstifts ab 1780 wieder ein Mitglied der kaiserlichen Familie in der Tiroler Hauptstadt residierte.
Bettina Braun