Dierk Hoffmann / Andreas Malycha (Hgg.): Erdöl, Mais und Devisen. Die ostdeutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen 1951-1967. Eine Dokumentation (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; Bd. 113), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2016, V + 250 S., ISBN 978-3-11-046364-4, EUR 24,95
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Die von Dierk Hoffmann und Andreas Malycha herausgegebene Quellensammlung dokumentiert die außenwirtschaftlichen Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik mit der Sowjetunion. Während in marktwirtschaftlichen Ordnungen die Warenein- und -ausfuhr neben dem inländischen Bedarf vor allem durch die Weltmarktpreise der nachgefragten Güter bestimmt wird, entscheiden in planwirtschaftlichen Ordnungen die Planungsbehörden über die notwendigen Importe und organisieren die zum Tausch notwendigen Exporte. Die zentralen Planbehörden der DDR und der Sowjetunion hatten daher neben den inländischen Aufgaben auch die Funktion, mit den Handelspartnern Umfang und Konditionen der notwendigen Einfuhr abzustimmen.
Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft in Auftrag gegebenen Projektes über die "Geschichte der deutschen Wirtschaftspolitik" haben Hoffmann und Malycha "erstmals systematisch die Akten der sowjetischen Plankommission (Gosplan) in Moskau ausgewertet" und sind dabei auch auf die hier ausgewählten Dokumente zur ostdeutschen Außenwirtschaft gestoßen, welche für diesen Sammelband übersetzt wurden. Es handelt sich bei den 46 übersetzen Dokumenten überwiegend um Briefe, Protokolle und Gesprächsnotizen zwischen sowjetischen und ostdeutschen Regierungsstellen, die rudimentär kommentiert und mit einer kompetenten Einleitung versehen wurden, welche die wichtigsten Diskussionsstränge zur Außenwirtschaftsgeschichte der DDR aufführt. Inhaltlich befassen sich die Dokumente mit Spezialfragen des Außenhandels von "Erdöl, Mais und Devisen" - wie es im Titel heißt - so dass es Nichtfachleuten zuweilen schwerfallen könnte, die Bedeutung des einzelnen Dokumentes zu erfassen.
Zentral geht es dem Band um die Frage, welche Handlungsspielräume die Deutsche Demokratische Republik in ihrer Außenwirtschaftspolitik hatte oder ob sie nicht letztlich als eine Art verlängerte Werkbank in die sowjetische Produktion eingebunden war, mit nur geringen Möglichkeiten zu einer eigenständigen wirtschaftlichen Entwicklung. Die Herausgeber sehen die übersetzen Dokumente als Unterstützung für ihre Interpretation, dass die DDR durchaus eigene Akzente in den Auseinandersetzungen mit den Sowjetischen Behörden setzen konnten. Interessant zu lesen ist vor diesem Hintergrund beispielsweise die Protokollierung eines Gespräches zwischen Nikita Crushov und Walter Ulbricht aus dem Jahr 1964, das sich mit den Schwierigkeiten der Beschaffung von Öllieferungen beschäftigt, die die Sowjetunion nicht in der von der DDR nachgefragten Menge zur Verfügung stellen wollte (Dokument 34). Ein anderes Dokument (Nr. 12) betrifft die ostdeutschen Pläne der 1950er Jahre, den zivilen Flugzeugbau in der DDR aufzubauen und damit an die deutsche Luftfahrtindustrie der Vorkriegszeit anzuschließen, was letztlich aber nicht genehmigt wurde. Immer wieder kam es auch zu Verhandlungen über die Reparationen oder über die Verschuldung der DDR bei der Sowjetunion (Nr. 10).
Die Lektüre der einzelnen Dokumente ist zweifellos spannend und gibt einen guten Einblick in die komplizierte internationale Arbeitsteilung zwischen den sozialistischen "Bruderstaaten" in der Zeit des Wirtschaftsaufschwungs. Zweifellos ist die Auswahl der Dokumente und ihre Übersetzung ein durchaus verdienstvoller Nebeneffekt des immerhin mit öffentlichen Mitteln geförderten Auftragsforschungsprojekt des Bundeswirtschaftsministeriums. Allerdings stellt sich letztlich die Frage, für welchen Adressatenkreis eine solche Quellensammlung gedacht ist: Für Studierende könnte die Thematik zu speziell sein und der Einsatz in der Lehre ist daher fraglich. Forscher werden sich aber kaum auf der Grundlage selektiver Quellenzusammenstellungen ein Urteil bilden wollen. Überdies steht die Nützlichkeit von gedruckten Quellensammlungen, zumindest wenn sie anders als Gelehrtenbriefwechsel oder Politikerstatements nur einen geringen Unterhaltungswert besitzen, im Zeitalter der digitalen Datenbanken auch ganz grundsätzlich in Frage. Leser, die einen ersten Einblick in die Verhandlungspraxis zwischen den ostdeutschen und sowjetischen Planbehörden erhalten wollen, werden die Quellensammlung mit großer Dankbarkeit zur Hand nehmen. Für einen Überblick über die ostdeutsche Außenwirtschaftspolitik werden die etablierten Darstellungen beispielsweise von André Steiner [1] dagegen weiterhin das Maß der Dinge bleiben.
Anmerkung:
[1] André Steiner: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, München 2004.
Jan-Otmar Hesse