Gary P. Baker / Craig G. Lambert / David Simpkin (eds.): Military Communities in Late Medieval England. Essays in Honour of Andrew Ayton (= Warfare in History), Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2018, XXVIII + 293 S., 3 s/w-Abb., ISBN 978-1-78327-298-3, GBP 60,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Christoph Nübel (Hg.): Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945-1990. Bundesrepublik und DDR im Ost-West-Konflikt, Berlin: Ch. Links Verlag 2019
John D. Hosler: John of Salisbury. Military Authority of the Twelfth-Century Renaissance, Leiden / Boston: Brill 2013
Markus Meumann / Andrea Pühringer (eds.): The Military in the Early Modern World. A Comparative Approach, Göttingen: V&R unipress 2020
Florian Reichenberger: Der gedachte Krieg. Vom Wandel der Kriegsbilder in der militärischen Führung der Bundeswehr im Zeitalter des Ost-West-Konflikts, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2018
Günther Kronenbitter / Markus Pöhlmann / Dierk Walter (Hgg.): Besatzung. Funktion und Gestalt militärischer Fremdherrschaft von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2006
Patrick Leukel: "all welt wil auf sein wider Burgundi". Das Reichsheer im Neusser Krieg 1474/75, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2019
Daniela Rando: Johannes Hinderbach (1418-1486). Eine "Selbst"-Biographie. Aus dem Italienischen von Wolfgang Decker, Berlin: Duncker & Humblot 2008
Andrew Ayton / Philip Preston: The Battle of Crécy, 1346, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2005
Die Erforschung von Krieg, Kriegführung und Militär hat in Großbritannien bekanntlich eine größere Tradition als in Deutschland - und das liegt nicht nur an den beiden Weltkriegen und ihren Nachwirkungen, sondern an der gesamten Geschichte beider Nationen. Die vorliegende Festschrift bietet Gelegenheit, aktuelle britische Forschungen zur spätmittelalterlichen Geschichte von Krieg und Militär sowie die grundsätzliche Prägung der Forschung gleichermaßen kennenzulernen.
Andrew Ayton, dem diese Aufsatzsammlung gewidmet ist, gehört zu einer Gruppe von Forschern, die seit den 1980er Jahren die Erforschung von Krieg, Königtum und Adel auf den britischen Inseln vorangetrieben haben. Statt die eigentlichen Kampfhandlungen zu rekonstruieren, worauf sich die Forschung lange Zeit konzentriert hat, suchen sie nach jenen Strukturen, aufgrund derer die Heere überhaupt zusammenkamen und zusammenhielten. Die "Military Communities" des Titels bezeichnen dem Ansatz Aytons entsprechend nicht irgendwelche Gemeinschaften, sondern solche, die das Heer als soziales und administratives System trugen. Anführer mittleren und höheren Ranges stellten organisatorische Mittelpunkte der Armee dar, denn sie verfügten über lokale Netzwerke, aus denen sie die benötigten Männer rekrutieren konnten. Es geht insgesamt also um eine Verbindung der englischen Finanz- und Verwaltungsgeschichte mit einer Art Sozialgeschichte derjenigen, die in den Heeren kämpften, und einer Mentalitäts- und Kulturgeschichte des Adels. Die materielle Grundlage dieser Forschungen ist der Reichtum vor allem der zentralen Archive, ein wichtiges Hilfsmittel deswegen von Anfang an die elektronische Datenverarbeitung.
Neben zwei Geleitworten und einem Überblick über Leben und Werk des Jubilars umfasst das Werk 11 Aufsätze von Weggefährten und Schülern, die meist 20 bis 25 Seiten lang sind, also deutlich umfangreicher als übliche Festschriftbeiträge. Eine ganze Reihe von ihnen gründet auf dem Material von Promotionsprojekten.
Die Reihe der Beiträge beginnt mit einem Aufsatz von Michael Prestwich, der danach fragt, was einen prestigeträchtigen "destrier" (ein Schlachtross) um 1300 genau von einem anderen Pferd unterschied. Die Beantwortung der scheinbar banalen Frage erfordert einigen Aufwand und führt zu einem simplen, aber wichtigen Sachverhalt: Schlachtrösser waren größer als andere Pferde und erhielten mehr Futter.
Ähnlich grundlegend setzt Robert W. Jones an, wenn er nach den "Hobelars" fragt, die in englischen Heeren des 14. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle spielten. Bisher meinte man, sie seien leichte Reiter gewesen, und die Waffengattung habe aus Irland gestammt. Tatsächlich handelte es sich schlicht um eine Art von Truppe, wie es sie seit dem 12. Jahrhundert in Europa oft gab, nämlich um Reiter, deren sozialer Status geringer als der von Rittern war - was aber nichts über ihre Bewaffnung und den taktischen Einsatz besagt.
Die nächsten drei Beiträge werfen Schlaglichter auf die Bedeutung des Kriegsdiensts für den Adel und des Adels für die Kriegführung. Peter Coss zeigt, dass Kriegsdienst vor allem im 14. Jahrhundert wichtig für die Ausformung der Gentry war.
David Simpkin untersucht die Gruppe der Bannerherren, jene Adligen also, die es um 1300 aufgrund ihrer Beziehungen als einzige vermochten, die benötigten Kämpfer anzuwerben. Später verlor der Rang des Bannerherrn seine Attraktivität, weil die englischen Könige die Zahl der Bannerherren erhöhten, um an mehr Truppen zu kommen, und außerdem Männer von niedrigerem Status fähig wurden, größere Einheiten anzuwerben.
Einen typischen adligen Anführer, nämlich Henry de Beaumont (ca. 1280-1340), und seine "retainers" untersucht Andy King. Beaumont begrenzte seine Rekrutierungen vor allem auf den Nordosten Englands und Lincolnshire. Seine Verbindungen zu den Kämpfern waren von sehr unterschiedlicher Dauer. Manchmal warb Beaumont Männer von seinem Besitz an, manchmal aber erhielten Männer Teile seines Besitzes, weil sie unter ihm gekämpft hatten.
Finanzielle Probleme bei der Kriegführung und die kreative Suche nach Lösungen thematisieren die folgenden drei Aufsätze. Matthew Raven zeigt anschaulich, wie sehr sich die königliche Verwaltung in den Jahren 1330-1360 mühen musste, um das Geld für die Truppen aufzubringen.
Einen Versuch, billiger Krieg zu führen, untersucht Gary P. Baker. Der erneute Ausbruch des Kriegs gegen Frankreich 1369 stellte England vor große finanzielle Probleme. Im Folgejahr entschied man zwar, 2000 Panzerreiter und 2000 Bogenschützen unter Sir Robert Knolles auf zwei Jahre für einen Verwüstungszug in Frankreich anzuwerben, doch wollte man sparen. In den ersten 13 Wochen erhielt die Truppe den doppelten Sold, danach gar keinen mehr; die Kämpfer sollten sich aus dem Land versorgen und durch Beute Gewinn machen. Das Unternehmen scheiterte jedoch, und England konzentrierte sich auf die Seekriegsführung, die weniger Geld kostete.
Adrian A. Bell und Tony K. Moore untersuchen, wie englische "Preußenreisende" ihre Fahrt zum Kampf gegen die noch heidnischen Litauer organisierten und finanzierten. Die Kontingente wurden ganz ähnlich wie bei königlichen Heeren rekrutiert, d.h. Verwandtschaft und andere Bindungen spielten eine entscheidende Rolle. Zur Finanzierung der beträchtlichen Kosten liehen sich viele "Preußenreisende" in England Geld. Wenn Kredite in Preußen aufgenommen wurden, versuchten die Kreditgeber durch eine Anzahl von Maßnahmen sicherzustellen, dass sie ihr Geld nach der Abreise des Schuldners wirklich zurückbekamen.
Drei weitere Aufsätze behandeln Themen ganz unterschiedlichen Zuschnitts. Clifford J. Rogers fragt nach der symbolischen Bedeutung des Hosenbandabzeichens Eduards III. und verweist dabei vor allem auf das (wahrscheinliche) Vorbild des kastilischen Ordens vom Band und die übertragenen Bedeutungen des Worts Band, das nicht nur Dinge, sondern auch Menschen zusammenhält.
Der englischen Seekriegführung widmet sich Craig L. Lambert genauer: der Rolle der Cinque Ports von 1322 bis 1453, d.h. einer Gruppe von ursprünglich fünf, später aber rund 30 von der Krone privilegierten Hafenstädten, die Schiffe für die Flotte stellen mussten. Entgegen der bisherigen Auffassung lässt sich nicht generell sagen, dass diese Häfen zwischen der Mitte des 14. und jener des 15. Jahrhunderts an ökonomischer und militärischer Wichtigkeit verloren.
Anne Curry wertet zwei Dokumente aus, welche die Garnisonen in der von den Engländern besetzten Normandie 1436 auflisten. Sie zeigen die schnelle, energische Reaktion auf die gescheiterten Friedensverhandlungen von Arras 1435 sowie auf den Wechsel Philipps des Guten von Burgund auf die Seite Karls VII. von Frankreich.
Da die meisten Studien auf seriellen Quellen aufbauen, ist die Lektüre einiger Passagen zwangsläufig etwas zäh. Immer wieder aber geht es um interessante und wichtige Zusammenhänge zwischen der Kriegführung und den Finanzen, der Ausformung der Verwaltung, der unverzichtbaren Rolle des Adels für das Königtum, letztlich also um ein stetes Wechselspiel von Politik, politischer Kultur und politischen Strukturen. Damit könnten dieser Sammelband und die Ansätze, auf denen er gründet, auch eine Anregung für Forschungen über das deutsche Sprachgebiet sein.
Malte Prietzel