Lukas Madersbacher / Erwin Pokorny: Maximilianus. Die Kunst des Kaisers, Berlin: Deutscher Kunstverlag 2019, 297 S., zahlr. Farbabb., ISBN 978-3-422-98038-9, EUR 34,95
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Der Begleitband der Meraner Ausstellung "MAXIMILIANVS. Die Kunst des Kaisers" entstand im Kontext einer Vielzahl international konkurrierender Publikationen zum 500. Todesjahr Kaiser Maximilians I. Er verdankt sich einer Zusammenarbeit der dem Institut für Kunstgeschichte der Universität Innsbruck angehörenden Kuratoren Lukas Madersbacher und Erwin Pokorny mit dem Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte Schloss Tirol, wo die Ausstellung angemessen und ästhetisch ansprechend präsentiert werden konnte. Hier zielte man nicht etwa auf ein standardmäßiges Illustrieren der Verflechtung von Biografie, Orts-, Universal- und Kunstgeschichte, sondern bemühte sich mit der Fokussierung auf die Autorschaft des Kaisers um einen wissenschaftlichen Zugang, der sowohl dem innovativen Konzept wie auch der komplexen Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte von Maximilians Ruhmeswerk Rechnung tragen sollte.
In dreizehn Essays wird die aktive und kreative Rolle Maximilians als Autor und Auftraggeber seiner publizistischen Großprojekte, die sich durchwegs des modernen Mediums des Holzschnitts bedienen, um die "gedechtnus" des Kaisers der Nachwelt auch bildlich einzuprägen, von historischer und kunsthistorischer Warte diskutiert. Der anschließende Katalog stellt die Projekte konzise vor und erhellt Einzelaspekte und offene Fragen der Werkgenese sowie der Eingriffe Maximilians in den Werkprozess.
Die Einführung in Maximilians Ruhmeswerk übernimmt Larry Silver, der mit der Erörterung burgundischer Wurzeln sowohl den europäischen Horizont der Selbstinszenierung des Kaisers aufzeigt wie mit dem Verweis auf die dezidierte Anknüpfung an die Antike in "Genealogie" und "Ehrenpforte" den machtpolitischen Anspruch und die historische Dimension der maximilianeischen Projekte hervorhebt. Den Porträts des Kaisers, primär der gleichsam seriellen Bildnisproduktion, für die Bernhard Strigel herangezogen wurde, widmet sich Anja Eisenbeiß. Strigel schuf das standardisierte, offizielle Herrscherporträt in funktions- und adressatenspezifisch differierenden Varianten und wohl in großer Zahl. Zusätzlich machte Maximilian vom Medium der Bildnismedaille Gebrauch. Bereits hier lässt sich anhand der Quellen nachvollziehen, was alle publizistischen Unternehmungen des Habsburgers gleichermaßen betrifft: Die umfassende und detaillierte, inhaltliche wie formale Kontrolle durch den Auftraggeber in allen, auch den finalen Phasen der Herstellung: "Maximilian formt sein Bild" (31). Die persönliche Überwachung der nach der Annahme des Kaisertitels teils parallel und in Kollektivarbeit von Forschern, Schreibern und Bildproduzenten entstehenden "puecher" ist auch Gegenstand des von Stephan Müller und Dennis Wegener verfassten Beitrags zu Maximilian als Autor, dessen Rolle zwischen der eines Initiators, Erfinders, Mitautors und Inspirators changiert. Trotz zweifellos vorüberlegter Arbeitsorganisation akkumulierten sich Missverständnisse und logistische Probleme, von denen Treitzsauerweins "Fragbuch" zum "Weißkunig" eine Ahnung geben kann. Attestiert wird Maximilian in Anbetracht der Unvollendetheit dieser Projekte "ein Scheitern in innovativer Absicht" (48), womit gleichsam der Tenor des gesamten Bandes getroffen ist.
Die folgenden fünf Beiträge gelten den einzelnen Projekten ("Genealogie", "Freydal", "Weißkunig", "Triumphzug", "Ehrenpforte"), die von kunsthistorischer Seite (Maria Theisen, Stephan Krause, Susann Kretschmar, Eva Michel, Thomas Schauerte) in ihrer Entstehungs-, Editions- und Überlieferungsgeschichte erfasst sowie hinsichtlich Funktion und Intention befragt werden. Kretschmar zieht in der Darlegung der Genese des "Weißkunig" den auch in der Ausstellung vertretenen Codex der Biblioteca Apostolica Vaticana heran, der in über 200 anonymen Zeichnungen einen frühen Entwurfszustand dokumentiert und als Indiz dafür gewertet werden kann, dass die Ikonografie der einzelnen Darstellungen zunächst formal anspruchslos fixiert wurde, um in einem zweiten Schritt inhaltlich überarbeitet und erst in einem dritten durch so renommierte Künstler wie Beck und Burgkmair in eine künstlerisch geläuterte Form gebracht zu werden. - Die Kunst als "Surplus" im Dienst der Memoria?
Guido Messling nimmt Kaiser Maximilian und seine Künstler in den Blick und konstatiert die erst spät, 1512, zustande gekommene Inanspruchnahme Dürers, während Strigel als Bildnismaler und Jörg Kölderer als nomineller Hofmaler, doch primär Dekorateur, bereits vor und um 1500 Maximilian zu Diensten waren. Die Anstellung italienischer Meister, wie Jacopo de' Barbari oder der im gesamten Katalog gleichsam ausgeblendete Ambrogio de Predis, scheint Episode geblieben zu sein; für die Holzschnittproduktion qualifizierte sich der sowohl in der Bildkomposition wie auch in der "welschen" Formensprache überaus versierte Hans Burgkmair in den Jahren um 1510 als wichtigste Größe, gefolgt von dem quantitativ indes noch stärker vertretenen Leonhard Beck. Angesichts der Genese des "Weißkunig", der Zusammenarbeit mit Burgkmair und später auch Dürer sowie der zahlreichen Verbesserungswünsche des Kaisers, die nicht allein ikonografischen Details galten, überrascht die Aussage Messlings, dass "letztlich nicht das Wie, sondern das Was entscheidend war" und "künstlerisch-ästhetische Maßstäbe zumeist eine weniger wichtige Rolle" spielten (107). Gerade diese vielfach vertretene Vorstellung wäre zu hinterfragen - freilich unter Berücksichtigung des außerordentlichen Programmumfangs auf der einen sowie der Verfügbarkeit, Bezahlbarkeit und Leistungskraft entsprechend ausgewiesener Künstler auf der anderen Seite. Auch unter diesem Gesichtspunkt verdienstvoll ist Christof Metzgers Untersuchung des Bestands und der Provenienz der in der Albertina erhaltenen mehreren hundert Druckstöcke, die die künstlerischen Qualitäten von Maximilians Ruhmeswerk von der buchstäblich anderen Seite beleuchten - damit aber nicht das Epitheton eines "Holz-Kaisers" (110) rechtfertigen.
Es folgen drei Beiträge von historischer Seite. Zunächst die akribische und differenzierte paläografische Analyse der bislang in der Forschung nur wenig beachteten Autografen Maximilians von Andreas Zajic, dann die überaus nützliche, durch Manfred Hollegger erstellte Systematik von Maximilians persönlichen Gedenkbüchern, in denen der Kaiser Pläne notierte, Aufgaben und Desiderate oft nur stichwortartig festhielt oder festhalten ließ. Beide Beiträge schaffen Grundlagen für die weitere Erforschung der Vorhaben des Kaisers. Der abschließende Beitrag gilt dem "Medienmacher Maximilian". Alexander Kagerer fordert, der maximilianeischen Inszenierung nicht "auf den Leim zu gehen" (145), sondern sie aus der Distanz des 21. Jahrhunderts kritisch zu reflektieren. - Ein legitimes Anliegen, das der unangemessenen Anspielung auf den amerikanischen Präsidenten (151f.) eigentlich gar nicht bedurft hätte. Die Zusammenhänge von Macht und Medien werden hier angesprochen, als Maximilians Ziel die "Sicherung seiner historischen Bedeutung" (146) noch einmal konstatiert.
Neben der Selbstinszenierung und "Charismatisierung" (148) des Herrschers lagen die Sicherung der historischen Bedeutung seiner selbst und die Zukunft des Hauses Österreich zweifellos im Zentrum aller Bestrebungen Maximilians. Vielleicht aus diesem Ziel versteht sich auch das wiederholte Bedürfnis des Autors und Auftraggebers nach Korrektur und Authentifizierung sowie die daraus resultierende Unvollkommenheit des Ganzen. Die Option einer Vollendung des so umfassend vorstrukturierten Ruhmeswerks wurde - durchaus zeitgemäß - der Nachwelt in die Hände gelegt. Betrachtet man das Forschungsinteresse, die mediale Omnipräsenz Maximilians 2019 und "Die Kunst des Kaisers", wie sie auf Schloss Tirol zu sehen war: Scheitern sieht anders aus.
Nicole Riegel