Grit Bühler: Eigenmächtig, frauenbewegt, ausgebremst. Der Demokratische Frauenbund Deutschlands und seine Gründerinnen (1945-1949), Frankfurt/M.: Campus 2022, 525 S., 33 s/w-Abb., 3 Tbl., ISBN 978-3-593-51602-8, EUR 49,00
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Stellungnahme von Gerhard Lechleitner mit einer Replik von Heike Amos
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Wolfgang Benz: Auftrag Demokratie. Die Gründungsgeschichte der Bundesrepublik und die Entstehung der DDR 1945-1949, Berlin: Metropol 2009
Christian Thiem: Die Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik (1949-1958). Eine verfassungsgeschichtliche Darstellung von der Entstehung bis zur Auflösung, Berlin: Duncker & Humblot 2011
Stefan Berger / Burkhard Dietz / Helmut Müller-Enbergs (Hgg.): Das Ruhrgebiet im Fokus der Westarbeit der DDR, Essen: Klartext 2020
In der Dissertation von Grit Bühler geht es um den Gründungsprozess des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) in Berlin und der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Der vom 7. bis 9. März 1947 in Berlin gegründete DFD hatte den "emanzipatorischen Anspruch, einheitlich, demokratisch, gesamtdeutsch und überkonfessionell zu agieren" (13). Nach NS-Diktatur, verheerendem Krieg und einer Phase radikaler Männerdominanz sollte der DFD frauenpolitische Öffentlichkeit herstellen und Frauenpräsenz in allen politischen Gremien einfordern. Der DFD hatte eine zeitlich sehr kurze, dezidiert feministische Gründungsphase.
Der Fokus liegt auf ausgewählten Gründerinnen des DFD, die oft bereits in der Weimarer Republik politisch, auch frauenpolitisch, aktiv gewesen waren. Besonders intensiv befasst sich die Autorin mit der einflussreichen Generalsekretärin des Frauenbundes Maria Rentmeister (1905-1996). Zum Gründungskreis zählten unter anderem Emmy Damerius-Koenen (1903-1987), Käthe Kern (1900-1985) und Elli Schmidt (1908-1980) - drei der vier Gründungsfrauen lebten mit hochrangigen kommunistischen, dann SED-Politikern zusammen. Bühler analysiert, wie ihre politischen Protagonistinnen ihre Interessen artikulierten, Einfluss auf relevante Gesetzgebungsverfahren nahmen und sich gegenüber den politischen Parteien und der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland positionierten. Der Enthusiasmus, von dem die Akteurinnen in dieser Gründungsphase ergriffen waren, geriet schnell in Vergessenheit, als die Arbeit des DFD in der DDR der Politik der SED strikt untergeordnet wurde. "Schluß mit dem DFD: Dienstbar - Folgsam - Dumm" (20), das blieb 1990, nach 42 Jahren, in der ostdeutschen Erinnerung vom DFD übrig!
Bühler geht der Frage nach, wie es gelang, parteilose beziehungsweise blockparteilich gebundene Funktionärinnen zu marginalisieren und sie denen mit SED-Mitgliedschaft unterzuordnen. Neben dem Gründungskomitee des DFD wurde diskret, aber wirkmächtig bereits im Sommer 1946 ein zweites Gründungsgremium im Auftrag der SED-Spitze eingesetzt. Dieses bestand ausschließlich aus Genossinnen und Genossen. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt sicherte sich die SED das Handlungs- und Organisationsmonopol. Kurz nach der DFD-Gründung im März 1947 kam es zu Irritationen, Umdeutungen sowie personellen und organisatorischen Neuordnungen aufgrund von Einmischungen der SED. Daraufhin verbreitete sich Enttäuschung; die Ablösung der Hauptakteurinnen Rentmeister, Damerius-Koenen und Schmidt folgte. Sie gerieten zwischen die Fronten von Parteiegoismus, SED-Dominanz, eigenen Ambivalenzen und Kaltem Krieg. Den Protagonistinnen der Nachkriegsfrauenbewegung wurde keine leitende Regierungsverantwortung übertragen. Der Gründungsanspruch der Überparteilichkeit des DFD konnten nicht eingelöst werden.
Ein interessanter, sehr knapper Abschnitt bezieht sich auf die Rolle des DFD bei der Verfassungsgebung. Dort geht es um die "Mütter der Gleichberechtigung" in der DDR. Der DFD musste zahlreiche Konflikte austragen und Widerstände überwinden, um die Forderung nach Gleichberechtigung in der Verfassung durchzusetzen. Für Otto Grotewohl (SED), Leiter der Verfassungskommission, war der Gleichberechtigungsgrundsatz mehr eine Randnotiz und eine Banalität. Zu den einflussreichen Akteurinnen zählte Käthe Kern; sie kann als einzige als "Verfassungsmutter" genannt werden. In der Verfassung von 1949, Artikel 7, wurde die Gleichberechtigung verankert: "Mann und Frau sind gleichberechtigt." Weichenstellend war der dann folgende Satz: "Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben." Im Grundgesetz der Bundesrepublik von 1949 stand in Artikel 3 ebenfalls die Formulierung: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", jedoch fehlte der Zusatz. Daher blieben im Widerspruch zum Gleichstellungsgrundsatz in der Bundesrepublik Gesetze und Rechtsnormen noch jahrzehntelang gültig, die die bundesdeutschen Frauen im Ehe- und Familienrecht benachteiligten. Erst 1976 fielen die letzten dieser Rechtsnormen - Stichwort "Hausfrauenehe". In der DDR wurde die Gleichstellung von Mann und Frau in Ehe und Familie gesetzlich im September 1950 fixiert - 25 Jahre früher als in Westdeutschland. Diese Zusammenhänge erklärt die Autorin nicht ausreichend; sie hat nicht erfasst, was dieser zweite Verfassungssatz für die DDR-Frauen bedeutete.
Die Studie gliedert sich in zwei große Abschnitte: Der erste Teil richtet den Blick auf die Gründungsphase des DFD von 1945 bis Anfang 1947 mit der Institutionalisierung der Frauenpolitik, der Organisationspraxis in den örtlichen Frauenausschüssen und dem Erlangen von Handlungsautonomie. Gründungprozess und Etablierung des DFD mit Bezugnahme auf die Akteurinnen stehen im zweiten Teil im Zentrum der Darstellung. Artikulation und Entfaltung des feministischen Anspruches und die Handlungsspielräume werden für die Jahre 1947 bis 1949 ausgeleuchtet. Schließlich wird erklärt, wie der DFD der SED-Parteidisziplin unterworfen wurde und frauenpolitische Ansprüche zunehmend ausgebremst wurden. Ein Anhang mit Text- und Bilddokumenten rundet die Studie ab.
Neben den gängigen Quellen und Dokumenten aus dem Bundesarchiv Berlin und dem Archiv Stiftung der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv waren offizielle Briefe, private Korrespondenzen, Berichte, Interviews, Essays und Zeitschriftenartikel sowie handschriftliche Dokumente aus dem persönlichen Nachlass von Maria Rentmeister sehr wertvolle Quellen, zumal der Nachlass bisher unerschlossen und unbearbeitet im Bundesarchiv lag. Sammlungen der Druckschriften des DFD, zeitgenössische Ausgaben der Zeitschriften "Die Frau von heute", "FÜR DICH", "Neues Frauenleben", Hördokumente aus dem Deutschen Rundfunkarchiv Potsdam-Babelsberg sowie Filmbeiträge der DEFA (Deutsche Film Aktiengesellschaft) wie "Wochenschau - Der Augenzeuge" tragen zur differenzierten Darstellung bei. Mit den Archivalien des Landesarchivs Thüringen und dem Hauptstaatsarchiv Weimar wurde exemplarisch für den Untersuchungsgegenstand ein Regionalbezug hergestellt. Grit Bühler hat eine klar gegliederte und gut lesbare Studie vorgelegt, die inhaltlich einlöst, was der Titel des Buches verspricht.
Heike Amos