Rezension über:

Astrid Fendt / Brigitte Wormer / Susanne Pfisterer-Haas u.a. (Hgg.): Antike vermitteln und entdecken - ein Handbuch. Mit Kindern und Jugendlichen im Museum, Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2023, 128 S., 145 Farb-Abb., ISBN 978-3-7344-1577-7, EUR 16,90
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Rezension von:
Bert Freyberger
Universität Bamberg
Redaktionelle Betreuung:
Christian Kuchler
Empfohlene Zitierweise:
Bert Freyberger: Rezension von: Astrid Fendt / Brigitte Wormer / Susanne Pfisterer-Haas u.a. (Hgg.): Antike vermitteln und entdecken - ein Handbuch. Mit Kindern und Jugendlichen im Museum, Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2023, in: sehepunkte 24 (2024), Nr. 6 [15.06.2024], URL: https://www.sehepunkte.de
/2024/06/38586.html


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Astrid Fendt / Brigitte Wormer / Susanne Pfisterer-Haas u.a. (Hgg.): Antike vermitteln und entdecken - ein Handbuch

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Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Museumspädagogischen Zentrums München haben dessen Mitarbeitende eine Publikation über ihre tägliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verfasst. Dieses "Handbuch" enthält knapp zwei Dutzend Beiträge mehrerer Autorinnen und Autoren und hat den Charakter eines Werkstattberichts, der auf 128 Seiten, grob geteilt in Theorie (12-65) und Praxis (68-125), das Wirken des Zentrums einer breiteren Öffentlichkeit nahebringen will. Flankiert ist dies durch die Möglichkeit, sich im Internetangebot des Verlags weitere Materialien zu ausgewählten Themen (Allgemeines, Alltag, Kleidung und Schmuck, Spiele und Bewegung, Theater und Aktionen) in pdf-Form herunterzuladen. Mit Blick auf das fruchtbare Interesse und den unverstellten Blick, den vor Ort vor allem Kinder an den Tag legen, soll der grundsätzliche Zugang zu den Museen (hier mit Schwerpunkt Antikensammlungen und archäologische Museen) dabei bewusst eher spielerisch sein.

Im Theorieteil behandeln 13 meist knappe Kapitel an klassisch-antiken Themen wesentliche Fragen des historisch bzw. bildungstheoretisch gewordenen Selbstverständnisses heutiger Museumspädagogik ("vom Musentempel zum Lernort"). All dies liest sich durchaus eingängig, wenngleich der erkennbare Hang zur prägnanten Formulierung mitunter etwas plakativ wirkt. Bereits die Kapitelüberschriften erzeugen den Eindruck, dass die einzelnen Bereiche in eher loser Abfolge geordnet sind: "Museumspädagogik heute", "Von der Antike spielerisch lernen", "Vermittlungs- und [Aus-]Bildungsauftrag der Museen", "Museum und Universität", "Museum und Schule", "Variatio delectat. Über die Bedeutung von Methoden[wechsel] in der Vermittlung", "Vermittlung digital", "Barrierefreie Angebote für Kinder und Jugendliche", "Praktische Arbeiten - nicht nur in der Vermittlung der Antike", "Kreativangebote - auch für Erwachsene?!", "Vom Fragen und Antworten. Politische Dimensionen der kulturellen Bildung", "Von Besucher*innen, die zählen" und "Vermittlung der Antike in Museumspädagogik und Tourismus". Dies scheint dem primären Wunsch zu gehorchen, dass bei der Lektüre für jede und jeden etwas dabei sein solle.

Aus geschichtsdidaktischer Sicht auf jeden Fall interessant ist, dass der Fokus des Buches auf Handlungsorientierung, forschend-entdeckendem und projektförmigem Lernen liegt. Diese Methoden bzw. Prinzipien wecken beim Zielpublikum erfahrungsgemäß großes Interesse und fördern unter idealen Bedingungen adäquate, auch lebensweltlich relevante Lerneffekte (Vergleichen, kritisches Hinterfragen, Verständnis eines Erbes). Großen Wert legen die Verantwortlichen dabei auf eine altersadäquate Vielfalt methodischer Zugänge, die sich jeweils "in sinnvoller Weise abwechseln" (36) sollen: bedachte Rhythmisierung, Verhältnis von Aufwand und Ertrag, Verzahnung analoger und digitaler Vermittlung, an Diversität orientierte Spezifizierung der Sprachangebote und vieles mehr. Ob eine solche Befassung mit der Antike als gut geeigneter "Folie" (56) dann tatsächlich auch kritisches Geschichtsbewusstsein fördern kann, mag für den Augenblick plausibel sein; insbesondere für den behaupteten engen Zusammenhang von politischer und kultureller Bildung (53-56) wäre dies aber wohl noch etwas ausführlicher zu begründen.

Der Praxisteil listet, neben ersten Tipps zum Selbstverständnis und Ablauf einer Kinderferienwoche, zahlreiche Angebote des Zentrums in Form realer Handlungsanleitungen in Museum, Schule und Freizeit auf. In rascher Abfolge werden hier klassische Bereiche antiken Alltags kurz vorgestellt: antikes Schreiben, Töpfern, Malen, Weben, Herstellung von Kleidung, Schmuck oder Bewaffnung oder das Erlernen verschiedener Formate von Spiel. Kinder und Jugendliche sollen dadurch einen ersten Zugang zum praktischen Nachvollziehen antiker Tätigkeiten erhalten, wobei "unkomplizierte Umsetzung" (9) Priorität hat. Aus fachdidaktischer Sicht fällt auf, dass es hier eher um den Wert des Tuns als solchem und nur indirekt um den tieferen Sinn historischen Lernens (hier Identifikation oder Empathie) zu gehen scheint. Das Buch ist also eher Anleitung fürs "Was" und "Wie" denn Erklärungsrahmen fürs "Warum" und "Wofür". Wäre es denn nicht auch wichtig explizit darüber nachzudenken, zu welchem Zweck Kinder gerade mit Blick auf Prämissen heutigen Unterrichts wissen sollen, wie man konkret einen Brustpanzer oder Helm oder gar ein "Schwert aus Schaumstoff" (102) herstellt? Oder welche Kompetenzen nachhaltig erworben sind, wenn Kinder in diversen Kontexten (etwa im Rahmen eines Panathenäenzuges, 112-115) antike Szenerien nachzuspielen lernen?

Auch betonen die Verantwortlichen unisono als Mehrwert, dass die hier präsentierten Erfahrungen problemlos auf andere Zeiten und Museumstypen sowie auch auf Zugänge der Erwachsenenbildung übertragbar seien. Schwer zu beurteilen, ob ein so generelles Ansinnen, v.a. mit Blick auf ebendiese perspektivische Vielfalt und das geschärfte Selbstverständnis domänenspezifischer Kompetenz, nicht doch ein wenig pauschal anmutet. Wenn im abschließenden Kapitel "Interviews" (116-125) die rundum positiven Erfahrungen einer der Herausgeberinnen und ausgewählter Kinder wie Eltern in grob gleich lautendem Tenor herausgestellt sind, so ist dies im Sinne einer anlassgemäßen Leistungsschau zwar verständlich, doch könnte all dies aber auch deutlich stärker im großen Ganzen (genereller Sinn von "Museum", Selbstverständnis des unterrichtlichen "Tuns") verortet werden.

Insgesamt handelt es sich um ein kompaktes Handbuch, das auch dank seiner angenehmen Lesbarkeit den Zweck einer ersten Orientierung im und fürs Museum durchaus erfüllt. Leider kommt es über eine sehr additive und deskriptive Grundanlage aber nur selten hinaus. Vor allem im Theorieteil offenbart sich ein Sammelsurium an Themen der klassischen Antike, die jeweils für sich meist interessant sind, aber programmatisch nicht wirklich kohärent zusammenhängen; somit wirkt der breit gefächerte Theorieteil da und dort doch etwas künstlich und bisweilen auch sprunghaft-bemüht. Umso griffiger ist dann aber der Praxisteil: Gerade Lehrkräfte, die Formate praktischer Umsetzung jenseits des üblichen Alltags im Klassenzimmer oder vor Ort nutzen möchten, sind hier fürs Erste gut bedient und können eventuelle Scheu vor allzu großem Aufwand oder den üblichen Herausforderungen des "Spielerischen" nachvollziehbar minimieren. In diesem Sinne kann man einem der Verantwortlichen schließlich auch guten Gewissens zustimmen, wenn dieser vorab galant von einem "schönen und wichtigen Arbeitsbuch" (7) spricht. Wer indes den einen oder anderen Sachverhalt substanziell vertiefen oder gar kritisch hinterfragen möchte, wird über das Gebotene sicherlich hinausgehen müssen.

Bert Freyberger