Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Cornel Zwierlein, Bochum


Peter Miller: Peiresc's Mediterranean World, Cambridge, MA: Harvard University Press 2015.
Miller muss sich inzwischen, wenn er an manchen Tagen an New York's Donut-Läden entlangflaniert, etwas entrückt vorkommen, denn seine forschungsbiographische Identifikation mit jenem bedeutenden südfranzösischen Gelehrten des 17. Jahrhunderts, Peiresc, hat inzwischen einen Grad erreicht, der doch kognitive Dissonanzen im Alltag erzeugen dürfte. Nach seiner frühen ersten Monographie zu Peiresc (2000) folgt hier nun die eigentliche sorgsame und durchaus klassisch chronologisch aufgebaute Biographie, die um die Grundlagenforschungsleistung des chronologischen Verzeichnisses aller noch ermittelbaren Briefe Peirescs - der fast nichts im Druck veröffentlicht hat - ergänzt ist. Peiresc wird so vor allem als 'Netzwerkknoten' in der République des lettres rekonstruiert, der für orientalische Sprachstudien, Chronologie-Wissen und Natur-Beobachtung zentral war, und der vielleicht als erster eine Art von maritimologischem Gesamtkonzept entwickelt hat: Peiresc sozusagen als Braudel des 17. Jahrhunderts.


Hervé Leuwers: Robespierre, Paris: Fayard 2014 / Taschenbuchausgabe: Pluriel 2016.
Unter den neuen Robespierre-Biographien (Peter McPhee (2012), Jean-Clément Martin (2016)) ist die von Leuwers hervorzuheben, von der man sich eine deutsche Übersetzung wünschte: Leuwers hat gerade die frühe Prägung von Robespierre als Anwalt, auch mit Neufunden von Prozess-Faktendarstellungen aus seiner Hand (factum) und sein Training als politisch-juristischer Redner in diesen Kontexten herausgearbeitet, er verfolgt aber - unter erneuter penibler Überprüfung der archivalischen Überlieferung trotz nahezu 150jähriger professioneller Robespierre-Forschung - den Lebensweg des Revolutionärs und terreur-Ideologen bis zum Schaffott in auch lebendiger und durchaus einfühlsamer Darstellung, die es vermag, einerseits den Revolutionsverlauf im Prisma der Reden und Widerreden nah an den Quellen und 'am Geschehen' zu präsentieren, andererseits die Stimme des Historikers und Forschers, die Stimme auch der vielen Debatten der Forschung immer wieder distanzierend ins Narrativ einzuflechten.


Luigi Sbaragli: Claudio Tolomei. Umanista senese del Cinquecento. La vita e le opere. Ristampa anastatica, Introduzione di Luigi Oliveto, con una nota di Vittorio Sgarbi, Firenze: Olschki 2016.
Wenn eine intellektuelle Biographie von 1939 in diesem Jahr neu wiederaufgelegt wird, ist das Anlass zu Freude und zu Ärgernis zugleich. Claudio Tolomei, Freund Machiavellis noch an dessen Sterbebett, ist aus meiner Sicht eine der brillantesten und elegantesten Denker und Praktiker der toskanischen politischen Kultur - aber viele seiner sorgfältig ausgearbeiteten Discorsi, etwa zur Neutralität, sind bis heute nicht ediert. Nur die Romanistik nimmt ihn wegen eines gedruckten Dialogs zur questione della lingua wahr, seine gedruckten Lettere sind Kennern vertraut: schon in ihnen klingt eine Vielzahl von Themen an, die in den 1530ern bis 1550ern in den italienischen accademie diskutiert wurden. Der einzige, der Tolomeis Spuren (Gesandter der Republik Siena in Frankreich, u.a. in Diensten Papst Pauls III., Akademiegründer in Rom bei Ippolito de' Medici und Jean du Bellay) durch einen Teil der einschlägigen Archivüberlieferung folgte, war Luigi Sbaragli 1939. Insofern ist es ein Weihnachtsgeschenk, dass diese Monographie, sorgsam eingeleitet bei Olschki nun neu erscheint, an sich kann es aber nur Ansporn zu einer echten Neuerkundung Tolomeis sein.


Robert Peckham (ed.): Empires of Panic. Epidemics and Colonial Anxities, Hong Kong University Press 2015.
Das Forschungsfeld zur Epidemie-Geschichte, etwa zur Cholera-Verbreitung, hat schon lange globale Dimensionen im Blick (David Arnold et al.), der vorliegende Sammelband hat aber den Vorteil, die Thematik zu generalisieren und an die globalisierte (Natur-)Katastrophengeschichte anzuknüpfen: Wie breitet sich 'Panik' über neue Kommunikationswege (Telegraphennetzwerke) in den imperialen Netzwerken des 19. Jahrhunderts aus, wie kann man aber auch Brandkatastrophen (John M. Carroll zu Canton) aus dieser Perspektive hinsichtlich ihrer anderen Wahrnehmung und Entwicklung im untersuchen hochkolonialen Zusammenhang neu verstehen? Wie werden Migrationswellen durch Panik-Kommunikation erzeugt und gesteuert? - ein Kollektivunternehmen kann diese Fragen nicht systematisierend beantworten, aber kann, auch für andere Epochen, zum Nachdenken über diese Zusammenhänge anregen.


Vinita Damodaran / Anna Winterbottom / Alan Lester (eds.): The East India Company and the Natural World, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2015.
Seit der ersten Konferenz zu 'Science & Empire', von Deepak Kumar in Delhi 1985 mitorganisiert, und seit Richard Grove's Green Imperialism (1995) ist eine der interessantesten Zweige der globalen Umwelt- und Wissensgeschichte die Frage nach der Verbindung der europäischen imperialen Strukturen in der Expansion, wie insbesondere der Companies, mit den wissenschaftlichen Institutionen (Akademien, Royal Society, Botanische Gärten...). Der vorliegende Sammelband kann als gute Einführung auf dem aktuellen Stand der Forschung, fokussiert auf Fallstudien zur East India Company dienen, die nahezu alle dicht aus dem archivalischen Material erarbeitet sind und zugleich die aktuelle Methodendiskussion weiterführen. U.a. sind Deepak Kumars Studien zu den botanischen Netzwerken zwischen Indien und London von Joseph Banks bis zu Wallichs unpubliziertem Herbarium (Botanical Survey of India, Shibpur, Kolkata) und George Adamsons dichte Studie zur Klimageschichte Bombays 1799-1828 auf der Grundlage kolonialer Privattagebücher hervorzuheben.