Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Stefanie Michels, Düsseldorf


Arno Bertina: Mona Lisa in Bangoulap. Die Fabel vom Weltmuseum, Berlin 2016 (Original: "Des lions comme des danseuses" 2015).
Die spielerische Wendung einer sonst säuerlich geführten Debatte. Die Völkerkundemuseen in Europa verwalten Objekte, die mehrheitlich während der Kolonialzeit in den ehemaligen Kolonien gesammelt wurden. Was wäre, wenn die Menschen, die heute in diesen Gebieten leben, freien Eintritt in diese Museen fordern würden und zudem freie Visa für den Schengen-Raum, um diese Objekte betrachten zu können? Die Fabel spielt die politischen Konsequenzen dieser Forderung durch und lässt schließlich die Italiener freien Eintritt im Louvre fordern, um die Mona Lisa betrachten zu können. Die Kameruner fordern das Recht, zumindest temporär, alle in Europa ausgestellten Kulturgüter auch in Kamerun zu zeigen - und so käme dann die Mona Lisa nach Bangoulap, einer kleinen Stadt im Kameruner Grasland. Und ganz nebenbei erübrigt sich so auch die Frage danach, wer der Eigentümer dieser Objekte ist.


Christian Bommarius: Der gute Deutsche. Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914, Berlin 2015.
Eine gute Geschichte braucht zwei Dinge: die Fähigkeit zu berühren, sei es durch soziale oder politische Bedeutung und die Fähigkeit, diese Geschichte zu erzählen. In fachwissenschaftlichen Kreisen ist die Bedeutung des politischen Lebensweges von Rudolf Duala Manga Bell aus Kamerun lange bekannt. In diesem Buch wird sie nun essayistisch erzählt und wirkt so umso verstörender für viele vermeintliche Gewissheiten über die deutsche Kolonialgeschichte. Manga Bells Großvater unterschrieb 1884 den Vertrag, der Kamerun zur deutschen Kolonie machte. Auf der Grundlage von genau diesem Vertrag machte Rudolf Duala Manga Bell 1914 beim deutschen Reichstag seine Souveränität und sein Grundbesitzrecht geltend. Wäre der Erste Weltkrieg nicht ausgebrochen, der die Diskussionen und die Maßnahmen verschärfte und die Kolonie von der Kommunikation in Deutschland trennte, hätte Manga Bell hier tatsächlich einen Erfolg landen können. Er wurde 1914 ermordet - wenige Tage später wurde Kamerun von den Alliierten Truppen eingenommen. War Rudolf Duala Manga Bell viel mehr als ein "guter Deutscher" nicht vielleicht auch ein "deutscher Gandhi"?


Tanya Sheehan / Andrés Mario Zervigón (eds.): Photography and Its Origins, New York 2015.
Der Sammelband erzählt die Geschichte der Fotografie nicht-linear. Er hinterfragt sowohl die historiografische Konstruktion DER Fotografiegeschichte und bietet einen Zugang zur Geschichte FÜR Fotografie, in der gleichzeitig mit europäischen und amerikanischen Fotografen auch afrikanische und chinesische Profis auftreten. Jürg Schneider zeigt beispielsweise für afrikanische Fotografen des 19. Jahrhunderts, dass viele ihrer Bilder in Europa zirkulierten, ohne dass dort ihre Autorenschaft bekannt gewesen wäre. Sie etablierten auch fotografische Studios, in denen afrikanische Kunden - darunter auch viele Frauen - zu verschiedenen Anlässen ihre Porträts anfertigen ließen - womit diese eine eigene fotografische Moderne für Afrika schufen. Eine inspirierende und geradezu revolutionäre Verbreiterung der Debatte um Fotografie - mit schönen Bildern.


Tonio Andrade: The Gunpowder Age. China, Military Innovation, and the Rise of the West in World History, Princeton / Oxford 2016.
Die Frage nach der "Great Divergence" wird hier militärhistorisch gewendet. Das Buch illustriert die gegenseitige Beobachtung und wechselseitige Innovation in der Militärtechnik bis ins 18. Jahrhundert. Die Europäer übernahmen das Gewehr aus China, von dort ging es nach Nordafrika und ins osmanische Reich. An allen Orten wurden die Gewehre verbessert. Bis zu den Opiumkriegen herrschte militärtechnisches Gleichgewicht. Andrades Argument ist nun, dass es gerade der lange und erfolgreiche Frieden des Qing-Reiches war, der seine Schwerter und seine Armeen einrosten ließ. Europa war im Gegensatz dazu in einem 25 Jahre andauernden Kriegszustand gewesen. Als weiteren externen Faktor sieht er den Einfluss von Wissenschaft in Europa auf die Militärtechnik. Chinesische und japanische Militärs erkannten das und setzen viel daran, Zugang zu diesen wissenschaftlichen Grundlagen zu erlangen. Dies treibe - so Andrade - die chinesische Politik bis heute an.