Rana P. Behal: One Hundred Years of Servitude. Political Economy of Tea Plantations in Colonial Assam, New Delhi: Tulika Books 2014, XIII + 387 S., ISBN 978-93-82381-43-3, INR 900,00
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In seinem 2014 veröffentlichten Buch untersucht der indische Historiker Rana P. Behal die Geschichte des repressiven Arbeitsregimes auf den Teeplantagen in Assam während der britischen Kolonialherrschaft in Indien. Gestützt auf zahlreiche Primärquellen nähert er sich einer hundert Jahre andauernden Knechtschaft aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Dabei konzentriert er sich auf die Entwicklung der Teeindustrie, die Anwerbung und den Transport von Arbeitskräften (Kulis), auf die sozialen Beziehungen und Machtverhältnisse auf den Plantagen, auf die Rolle des britischen Kolonialstaates, die Bedingungen der Arbeit im Zusammenhang mit der wachsenden Produktivität und schließlich auf die Auswirkungen auf die Arbeiter*innen und deren Widerstand. Er erforscht eine Welt, in der mehr als zwei Millionen Wanderarbeiter*innen (von denen Frauen und Kinder fast fünfzig Prozent ausmachten) unter Bedingungen vertraglich geregelter starker asymmetrischer Abhängigkeit auf den Plantagen in Assam arbeiteten und Tee für einen zunehmend profitablen globalen Markt produzierten.
Das Buch befasst sich mit der Entstehungsgeschichte und der frühen Entwicklung der Teeindustrie (1840 bis Anfang der 1860er Jahre). Es analysiert die Verbindungen zwischen dem Kolonialstaat und den privaten britischen Kapitalinvestitionen bei der Förderung der Plantagen in Assam, die für einen stetig wachsenden weltweiten Markt produzierten. Der Autor erörtert den "Teewahn" ("tea mania") und das daraus resultierende System der vertraglich geregelten (unfreien) Arbeit in Assams Teegärten. Er sieht einen klaren Zusammenhang zwischen dem Zusammenschluss von kleineren Plantagen und deren kontrolliertem Management durch Agenturen, das wiederum zu einer Stabilisierung der Teeindustrie und damit zur Etablierung eines indentured labour regime führte. (Kap. 1)
Ein Schwerpunkt liegt auf dem Prozess der Arbeitsmobilisierung und der Art der Arbeitsbeziehungen auf den Teeplantagen im Assam-Tal. Dabei befasst sich Behal mit den operativen Aspekten der Arbeitskräftegewinnung für die Plantagen, die sowohl den Transport wie auch die Vermarktung der Arbeit von Migrant*innen umfassen. Der untersuchte Zeitraum reicht von den 1860er Jahren bis 1926, als das Vertragssystem formell aufgelöst wurde.
Die einheimischen Bauern konnten nicht für die Arbeit auf den Plantagen mobilisiert werden. Assam war dünn besiedelt und verfügte nicht über genügend landwirtschaftliche Arbeitskräfte, um den wachsenden Bedarf an Plantagenarbeiter*innen zu decken. Es entstand ein Bedarf an Arbeiter*innen von außerhalb der Provinz. Durch das Argument des fehlenden Arbeitsmarktes gelang es den Plantagenbesitzern, sich die aktive Unterstützung des Kolonialstaates für die Einführung und Aufrechterhaltung der Rekrutierung durch vertraglich gebundene Arbeitskräfte sowie ein strenges Vertragsstrafsystem in Assam zu sichern. Die Missstände innerhalb des Rekrutierungsapparates hatte tragische Konsequenzen. Krankheiten, Unterernährung und fatale hygienische Bedingungen bedingten eine hohe Sterblichkeit. (56) Auch wenn das System der vertraglich geregelten (unfreien) Arbeit (indenture) im Laufe der Zeit aufgehoben wurde, verschwanden, so Behal, die Formen starker asymmetrischer Abhängigkeit nicht von den Teeplantagen Assams. Die Plantagenbesitzer übernahmen neue Strategien, um ihre Arbeitskräfte zu kontrollieren und disziplinieren. (94) (Kap. 2)
Der Autor befasst sich ebenfalls mit den Machtstrukturen, die die Organisation der Produktion und die Arbeitsbeziehungen auf den Plantagen bestimmten. Diese Machtstrukturen operierten auf zwei Ebenen: auf der Ebene der Indian Tea Association (ITA) und auf der Ebene der allgegenwärtigen Autorität der Plantagenbetreiber, die diese durch Zwangsmaßnahmen täglich auf den Plantagen durchsetzten. Behals Argumentation lautet, dass die Arbeitsbeziehungen in den Assam-Teeplantagen von Merkmalen geprägt waren, die den atlantischen Sklavenplantagen ähnelten. Laut Behal handelte es sich um die Koexistenz eines 'irrationalen' und unmenschlichen Arbeitsregimes, das zum Nutzen einer modernen und 'rationalen' Unternehmenswelt produzierte. (105) Die geographisch isolierten Teeplantagen und der Zwang der Arbeiter*innen, dort zu wohnen, wie auch ihre völlige Abhängigkeit von ihren Arbeitgebern selbst für die einfachen Annehmlichkeiten und Lebensnotwendigkeiten boten den Plantagenbesitzern die Gelegenheit, eine unangefochtene Kontrolle über die Arbeitskräfte zu erlangen. (Kap. 3)
Behal widmet sich ebenfalls der Rolle des Kolonialstaates bei der Unterstützung des Auf- und Ausbaus der Plantagen im Assam-Tal. Letzten Endes wurden keine Anstrengungen unternommen, die Arbeitgeber dazu zu bringen, die vorhandenen grundlegenden Missstände zu beheben und die durchaus vorhandenen Arbeitsgesetze einzuhalten. Theoretisch vertraten diese Gesetze zum einen die Interessen der Arbeitgeber, indem sie sicherstellten, dass die Arbeiter*innen ihre vertraglichen Verpflichtungen einhielten. Zum anderen sollten sie auch die Interessen der Arbeiter*innen auf ihrer Reise und während ihrer Einstellung auf den Plantagen schützen. Da letzteres jedoch kaum umgesetzt wurde, schlägt Behal vor, die Politik des Kolonialstaates als "diskriminierenden Protektionismus" (discriminatory protectionism) zu bezeichnen. Als Ursache sieht Behal den Einfluss der Plantagenbesitzer als gut organisierte und führende Leitgruppe mit der Möglichkeit, die Politik in Indien und England mitzugestalten. (179) (Kap. 4)
Eine kritische Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Aspekten wie Produktionsmengen, Marktpreise, Exportvolumen und Rentabilität, Ausweitung der Anbauflächen, Arbeitsbeschäftigung und Lohnzahlungen in den Teeplantagen des Assam-Tals von den 1870er bis 1947 untermauert durch zahlreiche Grafiken nimmt im vorliegenden Werk umfassenden Raum ein. Behal widmet sich der Diskrepanz zwischen steigender Wachstumsrate und stagnierenden oder gar zurückgehenden Löhnen und versucht dafür eine Erklärung zu finden. Dabei untersucht er auch einen möglichen Zusammenhang zwischen niedrigen Löhnen und hohen Krankheits- und Sterberaten und führt dies auf den niedrigen Lebensstandard zurück. Er schlussfolgert, dass es unerlässlich war, die Arbeitskosten so niedrig wie möglich zu halten, um die Rentabilität der Industrie aufrechtzuerhalten. (Kap. 5)
Eingehend untersucht der Autor das tägliche Arbeitsleben in den Teegärten und den Widerstand der Kulis gegen das Plantagenregime. Dabei analysiert Behal die Formen ihrer Proteste und wirft unter anderem die Frage auf, ob die Transformation dieser landwirtschaftlichen Migrantengemeinschaften, die unter Bedingungen unfreier Arbeit arbeiteten, proletarischer Natur war. Die maximale Ausbeutung von Arbeitskräften, wie sie auch im Assam-Tal praktiziert wurde, wurde zu einem charakteristischen Merkmal kolonialer Plantagen, die im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert für globale Märkte produzierten. In der Haltung der Plantagenbesitzer gegenüber ihren Arbeiter*innen sieht Behal eine Ähnlichkeit mit der Sklaverei in den Südstaaten Amerikas, wo die Arbeiter*innen ebenfalls als weniger wert angesehen wurden. (266) Behal skizziert, wie gesagt, verschiedene Formen des Widerstandes wie etwa Protest, Flucht, Revolte etc. und betrachtet diese im historischen Kontext und in Bezug zu den sich verändernden Machtstrukturen auf den Plantagen. Während der Zeit der Vertragsknechtschaft wurde der Widerstand durch Flucht, Aufstände, Angriffe, Einschüchterungen und ungesetzlichen Versammlungen ausgedrückt - so zumindest die offiziellen Beschreibungen. (310) Der Widerstand war sowohl individuell als auch kollektiv. Später entstanden neue und organsiertere Formen des Widerstandes, die Behal mit der Aufhebung der unfreien Vertragsarbeit und einer zunehmenden Militanz unter den Arbeiter*innen verbindet. (Kap. 6)
Während in der Forschung fast einstimmig Akzeptanz darüber besteht, dass die Plantagensysteme von europäischen Kapitalisten gegründet wurden, um für den Weltmarkt zu produzieren und Gewinne zu erzielen, wird über deren Form und Entstehen weiter debattiert. Unterschiedliche Auffassungen über die Art der Arbeitsbeziehungen und Mobilisierung beherrschen das Feld.
Durch sein Werk, mit dem er sich deutlich von der offiziellen und revisionistischen Geschichtsforschung abgrenzt, liefert Behal ein besseres Verständnis für ein kapitalistisches Unterfangen wie das der Teeplantagen, deren Hintergründe und Zusammenhänge. Die offiziellen britischen Dokumente hinsichtlich der Situation der Arbeiter*innengemeinschaft zu lesen und deuten, ist ein wichtiger Aspekt dieses Buches. Behal sieht den Beginn der Plantagen als bedeutenden Faktor, der zur Kolonisierung Assams beitrug. Er analysiert die unter dem Deckmantel des "Schutzes" liegende Idee der Bevormundung durch die Kolonialherren gegenüber den Arbeiter*innen und weist auf einen weit verbreiteten Missbrauch der Menschenrechte zugunsten der Interessen der Kolonialherren und Plantagenbesitzer und der Aufrechterhaltung eines kapitalistischen Industriesystems hin.
Der Autor hebt die Besonderheit der Arbeit in den Teeplantagen von Assam mit dem Fokus auf die dortige Gemeinschaft hervor. Die Entfernung der Plantagen von ihrer ursprünglichen Heimat führte dazu, dass die Arbeiter*innen isoliert und in ihrem alltäglichen Leben vollständig von der Leitung der Plantagen abhängig waren. Unfreiheit und Abhängigkeit sind dominierende Aspekte in Behals Werk. Abschließend hält er fest, dass, auch wenn ihre Arbeits- und Lebensbedingungen denen der Sklaverei in den Südstaaten der USA ähnelten, arbeiteten die Arbeiter*innen auf den Plantagen, in einem kapitalistischen System und waren dort mit Lohnverträgen beschäftigt. (334)
Abgerundet durch zahlreiche Tabellen, Diagramme, Fotografien und einen Appendix handelt es sich um ein informatives und gut lesbares Buch, das dem Leser einen Überblick über hundert Jahre Kolonialgeschichte Indiens und tiefe Einblicke in Formen starker asymmetrischer Abhängigkeit von Arbeiter*innen auf Teeplantagen in Assam liefert.
Veruschka Wagner