Felix Konrad: Der Hof der Khediven von Ägypten. Herrscherhaushalt, Hofgesellschaft und Hofhaltung 1840-1880 (= Mitteilungen zur Sozial- und Kulturgeschichte der islamischen Welt; Bd. 25), Würzburg: Ergon 2008, XX + 504 S., ISBN 978-3-89913-597-8, EUR 54,00
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Der Historiker und Orientalist Felix Konrad analysiert in seinem Buch den ägyptischen Herrscherhof hinsichtlich seiner Entwicklung unter vier verschiedenen Machthabern über einen Zeitraum von vierzig Jahren. Das Ziel des Werkes ist es, den khedivalen Hof unter sozialgeschichtlichen und Kulturgeschichtlichen Gesichtspunkten zu untersuchen und spezifische Eigenschaften und Merkmale des ägyptischen Hofes und der Elitegesellschaft zu beschreiben, wobei europäische Fürstenhöfe und höfische Gesellschaften als Analysemuster dienen. In sozialgeschichtlicher Hinsicht geht es Konrad darum, ein mögliches Abhängigkeits- und Loyalitätsverhältnis von Elite zum Herrscher aufzudecken, wozu er die Struktur der höfischen Elite im Hinblick auf interne Organisation und Verflechtung unter die Lupe zu nehmen. Der Hof als herrschaftliches Kommunikationsmedium bzw. als prägender Symbolrahmen wird kulturgeschichtlich anhand von Auftritten der Herrscher bei Feiern, Zeremonien und Verhalten der elitären Schicht dargestellt.
Das Werk von Konrad, das sich gemäß seiner Methode als kulturgeschichtlich erweiterte Gesellschaftsgeschichte versteht, leistet hiermit einen erkenntnisreichen Beitrag sowohl zur gesellschaftlichen als auch zur kulturellen Wechselwirkung zwischen Herrscherhaus und Elite Mitte des 19. Jahrhunderts. Es widmet sich einem Aspekt, der bisher in der historisch-islamwissenschaftlichen Forschung oft zugunsten von militär-, wirtschafts- und politikgeschichtlichen Studien vernachlässigt wurde. Durch das Studium von umfangreichen Textdokumenten in dem Kairoer Nationalarchiv und der ägyptischen Nationalbibliothek sowie in amerikanischen und europäischen Bibliotheken und Archiven gibt die Studie einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der ägyptischen Hofkultur unter vier Monarchen. Dabei veranschaulicht sie die Gründe, welche zu einer zunehmenden Europäisierung des Hoflebens geführt haben und zeichnet die Umstrukturierung vom ägyptisch-osmanischen Hof der 1840er zum europäisierten Hof um 1880 nach. Konrad gelingt es deutlich zu machen, dass es sowohl auf europäisches Publikum zugeschnittene Zeremonien und Festivitäten wie auch auf den ägyptischen Rahmen bezogene Feierlichkeiten gab, die entsprechend inszeniert wurden.
Nach einer prägnanten Darstellung der Herangehensweise und der Forschungsmethode stellt der Autor das von ihm verwendete Konzept vor und definiert grundlegende Begriffe hinsichtlich ihrer Verwendung in der Untersuchung. Im zweiten Kapitel kontextualisiert er nicht nur die historische Entwicklung in Ägypten, sondern auch den osmanischen und den europäischen Hof im 19. Jahrhundert. Konrad weist dabei auf die Vorbildfunktion beider im Hinblick auf die Entwicklung des ägyptischen Herrscherhofes hin. Das dritte Kapitel beinhaltet eine Präsentation des Herrscherhaushaltes. Hierbei geht Konrad im ersten Unterabschnitt auf dessen Struktur zunächst unter Mehmed 'Alī und 'Abbās, dann unter Sa'īd und Ismā'īl ein. Der zweite Unterabschnitt führt den Leser in das Verhältnis von Staatshaushalt und Herrscherhaushalt ein, wobei Konrad zunächst die ursächliche Struktur zu Beginn des Untersuchungszeitraums darstellt und dann in einzelnen Abschnitten deren Weiterentwicklung analysiert und anhand von Beispielen belegt.
Diese leserfreundliche Methode verwendet Konrad auch in den beiden Hauptkapiteln seiner Studie. Das vierte Kapitel setzt sich mit dem sozialgeschichtlichen Aspekt des Herrscherhaushaltes auseinander und analysiert das Verhältnis der höfischen Gesellschaft zur Dynastie. In fünf Unterabschnitten mit weiteren Unterpunkten gibt Konrad ein umfassendes Bild der am Hofe herrschenden Relationen. So präsentiert er anschaulich die Rolle der einzelnen Angehörigen der Dynastie als Stütze für den Staat. Die Studie stellt klar heraus, dass es nach 1854 einen Umbruch in der Hofstruktur gab, der durch die modernere, stärker am europäischen Vorbild orientierte Einstellung der Herrscher bedingt war. Neben den verschiedenen höfischen Bindungsmustern durch Ehe und Verwandtschaft stellt das Werk die gesamte Elite vor und zeigt, mit welchen Mitteln der Herrscher sich diese als "Wohltäter" durch Vergabe von Orden oder Ländereien geneigt machte. Im letzten Unterabschnitt analysiert Konrad darüber hinaus, inwiefern die bisher gezeigten Beziehungsmuster auch im internationalen Kontext angewendet wurden, wobei er den Unterschied im Verhältnis zum osmanischen Sultan als höherrangig und zu europäischen Höfen als gleichberechtigt herausstellt. Das fünfte Kapitel bietet eine kulturwissenschaftliche Interpretation der Hofhaltung. In vier Unterkapiteln stellt Konrad dar, wie der jeweilige Monarch sich im Rahmen des Staatszeremoniells präsentierte bzw. wie die Dynastie von den Herrschern im Rahmen von höfischen Spektakeln inszeniert wurde sowie welches Herrscherbild man bei Audienzen und Reisen vermittelte.
Die Studie von Konrad gibt einen umfassenden Einblick in das Thema und erweist sich aufgrund der klaren Struktur als leicht verständlich. Auch überzeugt die Arbeit durch mit Bedacht ausgewählte Fallbeispiele, Bilder und Zitate. Die Zwischenfazits am Ende des dritten bis fünften Kapitels erlauben, sich auf die einzelnen Teile der Studie zu konzentrieren ohne dabei den Gesamtzusammenhang aus den Augen zu verlieren. Die Arbeit erweist sich als sehr gute Ergänzung zu bisher erschienen Werken zur politischen, wirtschaftlichen und militärischen Geschichte Ägyptens im 19. Jahrhundert.
Tonia Schüller