Rezension über:

Mohamad Fahmy Menza: Patronage Politics in Egypt. The National Democratic Party and Muslim Brotherhood in Cairo (= Routledge Studies in Middle Eastern Politics), London / New York: Routledge 2013, XVI + 184 S., ISBN 978-0-415-68623-5, GBP 80,00
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Rezension von:
Tonia Schüller
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Conermann
Empfohlene Zitierweise:
Tonia Schüller: Rezension von: Mohamad Fahmy Menza: Patronage Politics in Egypt. The National Democratic Party and Muslim Brotherhood in Cairo, London / New York: Routledge 2013, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 9 [15.09.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/09/22441.html


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Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "Islamische Welten" in Ausgabe 13 (2013), Nr. 9

Mohamad Fahmy Menza: Patronage Politics in Egypt

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Das Werk "Patronage, Politics in Egypt - The National Democratic Party and Muslim Brotherhood in Cairo von Mohamed Fahmy Menza, derzeit Lektor an der AUC, präsentiert die Ergebnisse seiner Feldforschung zu Patronage als Merkmal ägyptischer Politik. Vor dem Hintergrund der Ereignisse vom 25.01.2011 prüft der Autor, welche Bedingungen Patronagepolitik in Ägypten begünstigten und wieso sich Netzwerke von NDP und Muslimbruderschaft auch nach Ende der Ära Mubarak als beständig erweisen.

Basis für die Studie war eine Feldarbeit in Misr al-Qadima, dem ältesten Stadtteil von Kairo, die Menza vor dem 25.01.2011 durchführte. Sein Ziel hierbei war, mittels offener Interviews herauszufinden, wie das Patronagesystem von NDP und Muslimbruderschaft funktionierte. Seine aus dieser Primärquelle gewonnen Erkenntnis verifizierte und kontextualisierte der Autor bei der Abfassung der Studie mit der vorhandenen Forschung zu Ägypten im 20. Jahrhundert sowie zur NDP und zur Muslimbruderschaft. Zu seinen Hauptziele zählt er, die Faktoren herauszuarbeiten, welche die Entstehung des Patronagesystems begüngstigten, wie die NDP und die Muslimbruderschaft dieses für ihre Zwecke nutzten und zu klären, inwieweit das System über den 25. Januar 2011 hinaus Bestand hat.

Wie Menza in seiner Einleitung (Kapitel 1) erläutert, baut seine Studie auf theoretischer Ebene auf dem bestehenden Forschungsstand zu Patronagenetzwerken auf (z.B. Robinson & Rosberry oder Martinussen). Hinsichtlich der Methode stellt Menza Vor- und Nachteile der Weberschen Ansätze vor und zeigt sodann auf, warum er die Netzwerkanalyse, u.a. nach Heydemann, zusätzlich für seine Arbeit verwendet hat. Dabei geht Menza auf die Besonderheiten des Nahens Ostens ein und stellt zentrale Begriffe der Studie, wie shaʿb für das einfache Volk und den Begriff der "lesser Notables" als Mittlerpatrone in Beziehung Staat und Gesellschaft vor.

Das zweite Kapitel geht auf den historischen Hintergrund von Patronage in Ägypten ein. Hier weist Menza nach, dass eine entsprechende Typologie schon in der Mamluken/Osmanenzeit existierte und in der Gegenwart, vor allem als Folge der Infitah-Politik von Sadat (reg.1970-1981), quasi reaktiviert wurde. Im Anschluss stellt der Verfasser im dritten Kapitel Miṣr al-Qadima als Zentrum seiner Feldforschung vor. Der Autor verdeutlicht, dass es sich nicht nur um das älteste Viertel von Kairo handelt, sondern auch um einen von sozialen Differenzen geprägten Ort. Dies belegt Menza anschaulich in Form eines historischen Exkurses sowie durch Statistiken zu Bevölkerungslage und Organisation politischer Aktivitäten in Miṣr al-Qadima.

Das vierte Kapitel befasst sich am Beispiel der Muslimbruderschaft mit der Frage, ob es über islamische soziale Einrichtungen (al-Jamʿeyya aš-Šarʿeyya) ein Netzwerk zur Unterstützung der sozialschwachen Bevölkerung von Miṣr al-Qadima gibt. Menza stellt als erstes die wichtige Rolle von islamischen Einrichtungen beim Auffangen staatlicherseits vernachlässigter Sozialdienste heraus und gibt einen kurzen allgemeinen Überblick zur Geschichte und Struktur der Muslimbruderschaft. Im Anschluss analysiert der Autor die Aktivitäten der Gruppe im Kontext der Patron-Klient-Verhältnisse von Miṣr al-Qadima unter der Ära Mubarak. Mittels Grafiken, Tabellen und Statistiken veranschaulicht Menza, wie sich die Muslimbruderschaft erfoglreich eine Machtbasis im Volk schaffen konnte und sich als einzige Alternative zur NDP etablierte.

Das fünfte Kapitel liefert analog einen Abriss zur Entwicklung der NDP bis 2002 und behandelt dann die neue Richtung der Partei unter Führung von Gamal Mubarak in der Zeit bis 2011; Menza stellt heraus, dass für diese Phase eine deutliche Zunahme an Aktivitäten der NDP auf lokaler Ebene vor allem durch die Vermittlung von NGOs festzustellen ist. Alles in allem kommt der Autor zu dem Schluss, dass der Personenkreis, welcher über Netzwerke der NDP Profit machte, geringer ist als durch islamische Einrichtungen; allerdings weist Menza auch nach, dass sowohl NDP als auch Muslimbrüder durch Geldgaben oder die Erteilung von Genehmigungen an Leiter lokaler Netzwerke Stimmen bei Wahlen kauften. Bezogen auf die Ereignisse während der ägyptischen Revolution konstatiert Menza , dass die NDP ihre Netzwerke in einfachen Vierteln dazu verwendete, Randalierer, so am Tag des Kamels, zu organisieren. Allerdings kommt der Autor zu dem Schluss, dass die "lesser notables" als Knoten in Netzwerken nicht für jedes Unrecht, das im Namen der NDP verübt wurde, heranzuziehen seien, da sie die Kontakte zur Partei in erster Linie zum Nutzen ihrer Anhängerschaft einsetzten.

Im Fazit stellt Menza heraus, dass das Kleinbürgertum eine zentrale Rolle im Kampf um politische Allianzen in Ägypten spielt und außerdem durch Stimmenkauf Einfluss auf den Ausgang von Wahlen hat(te). Auch betont der Autor, dass das einfache Volk nicht an den Zielen von Staatspartei, Staat oder Muslimbruderschaft interessiert ist, sondern lediglich das eigene Überleben sichern will; insofern sieht Menza den Wettbewerb zwischen Muslimbruderschaft und NDP um das Wohlwollen des Volkes durch soziale Einrichtungen islamischer Institutionen bzw. NGOs als Realität an.

Das Werk von Menza überzeugt durch seine strukturierte Vorgehensweise, es liefert auch Ansatzpunkte für weiterführende Forschung zu den Ereignissen nach dem 25. Januar 2011.

Tonia Schüller