Simon Hornblower: Thucydidean Themes, Oxford: Oxford University Press 2010, XVII + 415 S., ISBN 978-0-19-956233-6, USD 150,00
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Dieses Buch enthält 17 Nachdrucke älterer und neuerer Beiträge eines der besten Kenner des Thukydides. Im ersten Aufsatz sucht der Verfasser zu erläutern, dass der Peloponnesische Krieg auch ein Kampf um Gesinnungen und um unterschiedliche politische Vorstellungen war. Im zweiten Artikel behandelt Hornblower die Rolle der Delphischen Amphiktyonie, um zu zeigen, dass Siege in den Pythien von Delphi ebenso wie Erfolge in den Olympischen Spielen politische Bedeutung haben konnten. Darstellungsweise und Stil des Thukydides analysiert Hornblower in einem umfangreichen Beitrag, in dem allerdings Missverständnisse in der Interpretation der von Thukydides berichteten Ereignisse vorliegen. Hornblower geht zum Beispiel davon aus, dass die Athener im Peloponnesischen Krieg nicht strikt an der "Defensivstrategie" festgehalten haben (76). Der Kriegsplan des Perikles sah freilich auch gezielte athenische Angriffe auf peloponnesische Küstenplätze vor.
Bemerkenswerte Ausführungen enthält Hornblowers Abhandlung zur Verwendung von Personennamen bei griechischen Historikern. Ein Beispiel für die Bedeutung diesbezüglicher Forschungen erwähnt Hornblower (111) mit Hinweisen auf die Umdatierung des Vertrages zwischen Athen und Egesta von 457 auf 418/17 vor Christus, da die Verwendung von Laserstrahlen es ermöglichte, den Namen des Archonten Antiphon auf der betreffenden Inschrift zu lesen.
Im Mittelpunkt der beiden folgenden Aufsätze stehen Boiotien und Argos. Nach Auffassung Hornblowers hat Thukydides die potentiell große Macht der Boioter und Argiver erkannt, aber die thebanische Hegemonie im 4. Jahrhundert vor Christus nicht vorhersehen können (119). Der Hegemoniebegriff ist in diesem Fall freilich problematisch, da hiermit die Vielfalt der Ereignisketten zwischen den Schlachten bei Leuktra 371 und bei Chaironeia 362 v. Chr. nicht treffend bezeichnet wird. Eine ausgesprochene Abneigung des Thukydides gegen die Gesamtheit der Boioter vermag Hornblower aber nicht zu erkennen (138). Demgegenüber kommt er in dem folgenden Referat zu dem Schluss, dass Unzufriedenheit mit einer obsoleten Politik der Argiver die Darstellung des Thukydides "wie ein roter Faden" durchzieht.
In weiteren Aufsätzen untersucht Hornblower einige Einzelprobleme. Es handelt sich um die Fragen, ob die Plataier 431 v. Chr. einen Eid gebrochen haben, ob die Spartaner zwischen 420 und 400 von den Olympischen Spielen ausgeschlossen waren, ferner um die Identität des Lichas kalos Samios, der auf einer Vase so bezeichnet ist, sowie um Stellungnahmen zur Ethnizität der Bürger der Polis Torone auf der thrakischen Chalkidike, um die Panionischen Spiele in Delos und um die Feiern der Ephesia.
Darüber hinaus behandelt Hornblower die Funktionen beschließender Versammlungen eines Heeres, und zwar vor allem der "Zehntausend" in Xenophons Anabasis. Von großem Interesse ist zweifellos eine Untersuchung zur "Soziologie spartanischer Gewalttätigkeit". Hornblower ist der Auffassung, dass die Strenge der militärischen Disziplin sich gegen die als Waffenträger dienenden Heloten richtete. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass permanent Spannungen zwischen Spartiaten und Heloten herrschten.
Die letzten Artikel handeln von der Rezeption des Thukydides im 4. Jahrhundert v. Chr. und in der History of the Rebellion des Politikers Edward Hyde, des späteren Earl of Clarendon, der den englischen Bürgerkrieg der vierziger Jahre des 17. Jahrhunderts beschrieben hat. Zudem versucht Hornblower, die pseudo-xenophontische Athenaion Politeia ins 4. Jahrhundert v. Chr. zu datieren. Da in dieser Schrift peloponnesische Vorstöße nach Attika (2, 14-16) erwähnt sind, ist eher der Peloponnesische Krieg als Entstehungszeit anzunehmen.
Der besondere Reiz der Lektüre der Aufsätze Hornblowers liegt darin, dass er immer wieder neue Fragen stellt und orthodoxe Forschungsthesen kritisiert.
Karl-Wilhelm Welwei