Hans-Jürgen Bömelburg: Friedrich II. zwischen Deutschland und Polen. Ereignis- und Erinnerungsgeschichte (= Kröners Taschenausgabe; Bd. 331), Stuttgart: Alfred Kröner Verlag 2011, XXI + 381 S., 4 Kt., 12 s/w-Abb., ISBN 978-3-520-33101-4, EUR 22,90
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Der preußische König Friedrich II. weckt bis heute lebhafte Emotionen, in Deutschland als Begründer der Vormachtstellung Preußens und eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Geschichte, vor allem positive, in Polen als derjenige, der zur Teilung der polnischen Adelsrepublik und damit zu ihrem Niedergang beitrug, vor allem negative. Dies zum Teil auch deswegen, weil seine fast ausschließlich verächtlichen, böswilligen und kritischen Ansichten über Polen allgemein bekannt sind. Trotz der kritischen Einstellung vieler Polen bleibt es eine Tatsache, dass die erste Biographie von Friedrich II. in der polnischen Geschichtsschreibung, verfasst von Stanisław Salmonowicz, 1981 in einer Auflage von 50.000 Exemplaren veröffentlicht und seitdem noch dreimal aufgelegt wurde (1985, 1996, 2006).
Das öffentliche Interesse in Deutschland für die Geschichte Preußens und seines Königs Friedrich II. erlebt in unregelmäßigen Abständen Höhepunkte. Das war zum Beispiel in den Jahren 1977-1981 im Zuge der großen Berliner Ausstellung unter dem Titel "Preußen. Versuch einer Bilanz" der Fall. Die Ausstellung wurde zwar von polnischer Seite stark kritisiert, diese hatte aber, wie Stanisław Salmonowicz richtig bemerkte, den Fehler gemacht, auf die Mitarbeit bei ihrer Vorbereitung zu verzichten. [1]
Das 300-jährige Geburtsjubiläum von Friedrich II. im Januar 2012 führt wieder zu steigendem Interesse an seiner Person und an der Geschichte Preußens. Schon jetzt erscheinen zahlreiche neue Veröffentlichungen über sein Leben. Eine von ihnen ist die Abhandlung von Hans-Jürgen Bömelburg unter Beteiligung von Matthias Barelowski, der die Kapitel 8-13 verfasste.
Es muss an dieser Stelle daran erinnert werden, dass kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen eine Monographie von Władysław Konopczyński unter dem Titel "Fryderyk Wielki a Polska" [Friedrich II. und Polen] (Poznań 1947) erschien. Die Arbeit wurde während des Krieges verfasst, es sollte also nicht weiter verwundern, dass sie mit der Feststellung endete, dass Friedrich II. die Deutschen auf den Weg geführt habe, der in der Katastrophe von 1945 endete. Konopczyński sprach aber dem preußischen König die Bezeichnung "der Große" nicht ab.
In den Biographien von Friedrich II., die bis heute von deutschen Historikern verfasst wurden, wurden seine Einstellung zu Polen und seine Rolle bei dessen Teilung weitgehend vernachlässigt. Ähnliches geschah auch - mit wenigen Ausnahmen - in den Werken angel-sächsischen Historiker. Diese Themen wurden in der Regel mit einigen wenigen Sätzen abgehandelt, die Hauptverantwortung für die Teilungen auf Russland und die in Polen herrschende Anarchie geschoben. Auch deswegen setzt sich die Monographie von Hans-Jürgen Bömelburg das Ziel, wie es in der Einleitung heißt, die antipolnische Politik und die damit verbundenen Aktivitäten des preußischen Königs aufzuzeigen, die im Bewusstsein durchschnittlich interessierter deutscher Leser nicht existieren. Außerdem will der Autor auch dem deutschen Leser die Sichtweise der polnischen Öffentlichkeit bezüglich der Person Friedrichs II. näher bringen. Sein Buch setzt sich aus dreizehn Kapiteln zusammen, die sachlich-chronologisch aufgebaut sind. Die ersten fünf Kapitel handeln vom Verhältnis Friedrichs II. zu Polen, ausgehend von seiner Kindheit, bis hin zu seinem Tod. Das nächste, sechste Kapitel zeigt, wie der preußische König von seinen Zeitgenossen, sowohl Deutschen als auch Polen, beurteilt wurde. Die nächsten Kapitel (VII-X) widmen sich der Entstehung der friderizianischen Tradition in Deutschland und des preußischen Mythos, beginnend mit dem Zeitpunkt seines Todes 1786 bis zum Jahr 1945. Die letzten drei Kapitel behandeln die Person Friedrichs II. im Kontext der deutsch-polnischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Interessant erscheint besonders das zwölfte Kapitel, in dem die Autoren die Gestaltung des Bildes Friedrichs II. in der wiedervereinigten Bundesrepublik beschreiben, in der wieder Berlin - die ehemalige Hauptstadt der preußischen Monarchie - zur Hauptstadt gemacht wurde. Der Wiederbelebung des Kultes um Friedrich II. wurde ohne Zweifel durch die jüngste Beisetzungszeremonie Vorschub geleistet, die nach der Überführung seines Leichnams von Hechingen nach Sanssouci abgehalten wurde. Gegen seinen letzten Willen wurde er nicht im Mondlicht und ohne Begleitung beigesetzt, sondern unter der Teilnahme des Militärs und einer Menschenmenge von fast 80.000 Personen. 2001 wurde auch das 300-jährige Jubiläum der Begründung der preußischen Königswürde festlich begangen.
Im letzten Kapitel schlägt Hans-Jürgen Bömelburg vor, Friedrich II. zur gemeinsamen Erinnerungsfigur sowohl für Deutsche als auch für Polen zu machen, und weist auf viele mit seiner Person verbundene Bauwerke aus dem 18. Jahrhundert hin, wie zum Beispiel das Kadettenhaus in Chełmno, die zu Orten der gemeinsamen Erinnerung stilisiert werden könnten. Man könnte dem beipflichten, denn bereits Ende des 19. Jahrhunderts schrieb Szymon Askenazy, einer der bedeutendsten polnischen Historiker der damaligen Zeit, die polnische Geschichte habe das erste und beste Anrecht auf die Person Friedrichs II., denn er gehöre zu ihr und sei ihr eigen. [2] Davon, dass die Anerkennung Friedrichs II. als gemeinsame polnisch-deutsche(-brandenburgische?) Erinnerungsfigur sinnvoll sein könnte, zeugt die polnisch-deutsche Zusammenarbeit zwischen der Stadt Szczecin und der Schadow-Gesellschaft zu Berlin bei der Renovierung des ersten Denkmals Friedrichs II., das von Johann Gottfried Schadow angefertigt, zum ersten Mal 1793 in Szczecin aufgestellt und jetzt, nach Restaurierungsarbeiten, am 1. Dezember 2011 in Berlin wieder gezeigt wurde. [3]
Das Buch richtet sich vor allem an das deutsche Lesepublikum, deshalb widmen die Autoren der Gestaltung des Mythos Friedrichs II. im historischen Bewusstsein der deutschen Gesellschaft mehr Raum als der Beschreibung seiner antipolnischen Politik. Das mindert aber keineswegs den hohen Wert der Arbeit. Man möchte hoffen, dass sie weite Kreise der deutschen Leserschaft erreichen wird.
Anmerkungen:
[1] Stanisław Salmonowicz: Pokłosie "pruskiej fali" [Eine Nachlese der "preussischen Welle". In: Ders.: Od Prus Książęcych do Królestwa Pruskiego. Studia z dziejów prusko-pomorskich. Olsztyn 1992, 142.
[2] Szymon Askenazy: Fryderyk II i August III [Friedrich II. und August III.]. In: Ders.: Dwa stulecia XVIII i XIX: badania i przyczynki, Bd. 1. Warszawa 1903, 151.
[3] Klaus Gehrmann / Dariusz Kacprzak / Jürgen Klebs (Hgg.): Friedrich der Große, Johann Gottfried Schadow aus der Sammlung des Muzeum Narodowe w Szczecinie (Nationalmuseum Stettin) (= Schriftenreihe der Schadow Gesellschaft Berlin e.V., Bd. 14). Berlin 2011.
Jacek Wijaczka