Arno Strohmeyer: Die Habsburger Reiche 1555-1740. Herrschaft - Gesellschaft - Politik (= Geschichte kompakt), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2012, VIII + 152 S., ISBN 978-3-534-18757-7, EUR 14,90
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Arno Strohmeyer stellt sich mit seinem Überblickswerk zur Geschichte der Reiche des Hauses Habsburg der Herausforderung, einem breiten Publikum auf engstem Raum nicht nur beinah zweihundert Jahre dynastischer Politik, sondern auch die Entwicklung zweier Herrschaftsverbände näher zu bringen, deren Einflusssphäre Kontinente überspannte. Dabei dient ihm die Dynastie der Habsburger als Klammer, um bisher in Handbüchern meist Getrenntes zu verbinden. So führt er im Fokus der Casa d'Austria erfolgreich die um das Kernland Kastilien gebildete spanische Monarchie mit der um die österreichischen Erblande gruppierten Habsburgermonarchie zusammen.
Zielgruppe dieses Buches sind Studierende des Faches Geschichte. Dies findet im gesamten Werk in lobenswertem Maße Beachtung, wie schon die klare, von unnötigen Fremdwörtern befreite, sprachliche Gestaltung zeigt. Durchaus gelungen sind auch im Layout besonders hervorgehobenen Begriffserklärungen. Sie erläutern nicht nur Verträge, Organisationen und Institutionen, sondern problematisieren auch scheinbar Vertrautes, wie die Bezeichnung "Türken" oder das "Gleichgewicht der Kräfte" als Konzept internationaler Politik. Abgerundet wird das Angebot für Studierende durch Zeittafeln und ein aktuelles, kommentiertes Literaturverzeichnis, das die eigenständige Vertiefung der Materie erleichtert.
Strohmeyers Darstellung ist in drei Abschnitte gegliedert. Sie beginnt mit dem Rücktritt Karls V. und der Teilung seines Erbes. Nach einer kurzen Skizze der beiden daraus hervorgegangenen Herrschaftsräume präsentiert der Autor drei Erklärungsmodelle zum Verständnis dynastischer Herrschaftsverbände. Seinen Überlegungen nach könnte man die Reiche der Habsburger sowohl als zusammengesetzte Monarchien, als Imperien wie auch als eine gemeinsame dynastische Agglomeration verstehen. Hieraus zieht er die überzeugende Schlussfolgerung, im Folgenden durch eine alternierende Betrachtungsweise den Unterschieden, Gemeinsamkeiten und Beziehungen beider Reiche bestmöglich Rechnung tragen zu können.
Nicht unstrittig ist allerdings Strohmeyers Ansatz, das Heilige Römische Reich zum "Herrschaftsbereich der österreichischen Habsburger" (8) zu zählen. Damit stellt er sich gegen viele frühere Überblicksdarstellungen, die angesichts der geringen politischen Macht, die dem Kaiser in den Territorien des Reiches bekanntermaßen zukam, auf dieses Element verzichten. Die Einbeziehung des Reiches ist aber insofern begründet, als einerseits die Kaiserwürde wichtiger Bestandteil des Selbstverständnisses und der europäischen Politik des Hauses Habsburg war und andererseits der Autor die Divergenz zwischen Anspruch und realer Macht deutlich herausstellt. Dennoch irritiert es, dass auf der Überblickskarte (VIII) die deutsche Ostseeküste unter der Überschrift "Habsburgs Reiche um 1600" einheitlich eingefärbt ist. Dies birgt gerade für Studierende die Gefahr eines falschen Eindrucks vom kaiserlichen Einfluss, den der Autor ansonsten erfolgreich vermeidet.
Der zweite Teil der Darstellung eröffnet in sieben Unterkapiteln ein breites Panorama von Einblicken in die beiden Reiche der Habsburger. Sie beginnen in der Regel mit einer auf neue Forschungsansätze bezogenen Einführung, an die sich separate Abschnitte zu beiden Reichen anschließen, die auch das spanische Kolonialreich einbeziehen. Auf demographische Angaben folgen hier Kurzbiographien der Herrscher und Einführungen in die dynastische Politik, in das Regierungssystem inklusive ständischem Einfluss, in die Religions- und Konfessionspolitik, in das Phänomen der Untertanenproteste und in die Bedeutung der Hofhaltung für die politische und gesellschaftliche Ordnung. Befremdlich erscheint das in der Überschrift des biographischen Unterkapitels verwendete Wort "Herrscherversager" (28), das aber später als eines von vielen möglichen Herrscherbildern relativiert wird. Gerade die knappen Passagen zu den einzelnen Souveränen zeigen, dass es Strohmeyer gelingt, in knapper Form unterschiedliche Interpretationen und Wahrnehmungen zu kontrastieren.
Der dritte Teil des Buches ist der internationalen Politik gewidmet. Das erste und zugleich längste Unterkapitel behandelt die Konfrontation beider habsburgischen Reiche mit dem Osmanischen Imperium. Hier umreißt Strohmeyer Kriege und Friedensverhandlungen ebenso wie politische Auswirkungen der Konfrontation, Kriegsfinanzierung, Fremdheitsvorstellungen und Transferprozesse. Die weiteren Unterkapitel thematisieren in chronologischer Ordnung Konflikte, welche die Entwicklung des Hauses Habsburg und seiner Reiche prägten. Dabei stellt Strohmeyer immer wieder leicht verständliche Bezüge zur Forschungsgeschichte her, wie beispielsweise einen doppelseitigen Überblick zu unterschiedlichen Interpretationen des Dreißigjährigen Krieges (120f.). Das Ende seiner Darstellung liegt im Friedensschluss von Utrecht 1713, wobei ein Ausblick bis zum Tode Karls VI. führt, der nach Strohmeyer das Ende des "habsburgischen Universalismus" in Europa darstellt (142). Es lässt sich an dieser Stelle fragen, ob statt einer Orientierung an zeitlich geordneten Konflikten nicht eine systematische und vergleichende Darstellung außenpolitischer Instrumente vorzuziehen gewesen wäre. Für die studentische Zielgruppe bietet der gewählte Aufbau allerdings den wichtigen Vorzug, das Thema rasch mit bekannten und in der universitären Lehre häufig thematisierten Ereignissen zu verknüpfen.
Angesichts der Menge an Informationen, die hier auf engstem Raum ansprechend präsentiert werden, erscheint es beinah müßig, auf wünschenswerte Ergänzungen hinzuweisen. Es sei daher nur eine genannt: Die Pragmatische Sanktion, die berühmte Erbordnung Karls VI. von 1713, wird von Strohmeyer mehrfach als Teil der Dynastie- und Außenpolitik thematisiert (41f.). Das komplexe Verfahren der Bestätigung dieses Gesetzes durch die Ständeversammlungen der Erbländer und anderen Territorien findet allerdings kaum Berücksichtigung. Dieses Beispiel für die Kooperation von Herrscher und Untertanen hätte allerdings für Studierende ein Schlaglicht auf die politische Ordnung und Staatsbildungsprozesse in einem der beiden Habsburgerreiche werfen können und sicherlich weitere Anknüpfungspunkte geboten.
Insgesamt ist dieses Buch eine gelungene Ergänzung für die universitäre Lehre. Dies gilt auch über seinen engeren Gegenstand hinaus, denn die konzisen Zusammenfassungen bieten zahlreiche Anregungen, um unterschiedliche Themen im Kontext der Habsburger Reiche zu verorten oder um diese Reiche und ihr Herrscherhaus als Beispiele zu nutzen. Vor allem die Konzentration auf die Kategorie "Dynastie" ist für die Epoche der Frühen Neuzeit überzeugend und begrüßenswert. Arno Strohmeyer hat eine empfehlenswerte Überblicksdarstellung verfasst, die hoffentlich dazu beiträgt, dass diesem Thema im universitären Unterricht häufigere Beachtung zu Teil werden wird.
Simon Karstens