Johann Christoph Allmayer-Beck: "Herr Oberleitnant, det lohnt doch nicht!". Kriegserinnerungen an die Jahre 1938 bis 1945. Herausgegeben von Erwin A. Schmidl, Wien: Böhlau 2013, 559 S., 83 s/w-Abb., 2 Karten, ISBN 978-3-205-78891-1, EUR 39,00
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Ein Dreivierteljahrhundert nach Beginn des Zweiten Weltkrieges liegen nun die persönlichen Erinnerungen an die Jahre 1938 bis 1945 von Johann Christoph Allmayer-Beck, dem Doyen der österreichischen Militärgeschichte, vor. Herausgegeben wurde das 559 Seiten umfassende und in 30 Kapitel gegliederte Buch von Erwin A. Schmidl, der in seinen einleitenden Bemerkungen einen Überblick über das Werk von Allmayer-Beck gibt, diesen in einen kriegsgeschichtlichen Kontext setzt und am Ende militärische Fachbegriffe erläutert, um dieses Buch auch dem militärhistorischen Laien zugänglich zu machen.
Johann Christoph Allmayer-Beck - als Historiker, Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (Wien) und langjähriger Präsident der Österreichischen Kommission für Militärgeschichte weit über die Landesgrenzen bekannt - trat in seinen Memoiren von der sicheren Perspektive des Historikers zurück und verwendete vornehmlich Tagebuchnotizen und Briefe aus der Kriegszeit, um seine Erinnerungen zu Papier zu bringen. Damit ist das vorliegende Buch eher als zeitgenössisches Dokument denn als spätere Aufarbeitung zu klassifizieren und gibt - wie noch zu zeigen sein wird - ungewohnt authentische Einblicke, wie der Zweite Weltkrieg damals aus der Sicht eines Individuums erlebt wurde.
Bereits auf der ersten Seite des ersten Kapitels "Warum eigentlich?" (21-26) macht der Autor klar, dass er nicht beabsichtige, dem Leser mit apologetischen Memoiren zu gefallen. Wenn Allmayer-Beck schreibt, dass er auf seine Wehrmachtsangehörigkeit "bis heute leider noch stolz" sei (21), so steht dies in einem gewissen Widerspruch zum gegenwärtigen - vor allem durch die Affäre um den österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim (1986-1992) gewachsenen - gesellschaftlichen Rahmen. Im nächsten Absatz schreibt der Autor, er sei "alles andere alles ein Held gewesen", und wiederholt ist von Angst zu lesen, so auch während der Krise im Herbst 1938: "Ja, ich hatte schlicht und einfach Angst vor einem Krieg." (56) Diese Offenheit verspricht eine interessante Lektüre, nicht zuletzt auch, weil Allmayer-Beck von 1939 bis 1945 durchgehend am Krieg teilnahm und an allen großen Kriegsschauplätzen (Polen, Frankreich, Sowjetunion) eingesetzt war.
Den neuen nationalsozialistischen Machthabern galt die Familie Allmayer-Beck - der Großonkel des Autors war der ehemalige k.k. Ministerpräsident Max Wladimir Freiherr von Beck - als "politisch unzuverlässig". So kam Johann Christoph Allmayer-Beck 1938 nach seiner Ausmusterung aus der Militärakademie in Wiener Neustadt auch nicht in eine große Stadt des Reichs, sondern zum Artillerie-Regiment 21 in die wenige tausend Seelen zählende ostpreußische Kreisstadt Mohrungen (heute Morąg; Nordpolen). Die Ausgangssituation für einen charmanten Wiener in Ostpreußen, der als Oberfähnrich nicht zu den Offizieren zählte und von den Unteroffizieren wenig geschätzt wurde, war durchaus herausfordernd. Anfangs ergab sich zusätzlich eine durch Stereotype geformte Pattsituation, bei der sich ein "österreichischer Operettenoffizier" einer Horde "trottelhafter", "barbarischer", "unkultivierter", sich bis zur Besinnungslosigkeit besaufender Preußen gegenüber sah (54, 57). Nach nur wenigen Wochen waren viele Klischees überwunden. Allmayer-Beck, der zu seiner großen Enttäuschung seinen Adelstitel nicht führen durfte, tauchte in die Welt der ostpreußischen Gutsbesitzer mit herrschaftlichen Reitjagden und Empfängen in Herrenhäusern ein. Das Ambiente dieser Welt faszinierte ihn, und bald schien Allmayer-Beck Österreich in mancher Beziehung ein wenig kleinstädtisch zu sein.
Im August 1939 zog Allmayer-Beck mit seinem Regiment zu einem Militärmanöver aus, für das keine Übungsmunition, dafür aber Sprenggranaten und Erkennungsmarken zugewiesen wurden. Bald war allen klar: Der Krieg stand vor der Tür. Kurz nach Überschreiten der polnisch-deutschen Grenze berichtete Allmayer-Beck von Plünderungen polnischer Häuser durch deutsche Reserve- oder Landwehrsoldaten unter den Augen ihrer Offiziere. Solche Plünderungen in einem Stadium des Krieges, in dem es keineswegs an Kleidung und Lebensmitteln mangelte, waren keine Einzelerscheinung. In den meisten amtlichen Kriegstagebüchern jener Divisionen, die 1939 am Krieg gegen Polen teilnahmen, wurde die Problematik der Plünderungen mehr oder weniger offen thematisiert.
Der Krieg gegen Frankreich - der Autor beschreibt ihn in Ermangelung von Feindkontakt als "Feldzug ohne Gegner" (149) - brachte ihm mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse die erste Auszeichnung, die paradoxerweise für tapferes Verhalten vor dem Feind verliehen wurde. Allmayer-Beck war bei einer Stellungserkundung im Raum Sommeilles, ohne es zu wollen und zu wissen, über die eigene vordere Linie hinaus geraten. Wie auch immer: Bei der Verleihung war Allmayer-Beck stolz und ergriffen, als bekäme er das Ritterkreuz (152). Indessen gestaltete sich der Kriegsalltag des Autors - über längere Zeit als Adjutant beim Stab einer Artillerieabteilung - mitunter sehr bürokratisch. Dieser spielte sich nicht an der Hauptkampflinie im direkten Gefecht ab, sondern geographisch abgesetzt in schäbigen Holzhütten, mit dem Gewehr in der Ecke, dafür vor Schießelementermittler und Funkgerät. Der Raum der Kriegführung war also weiter als das unmittelbare infanteristische Vorfeld, wurde aber begrenzt durch die vorliegenden Kartenblätter, und relevant war, was sich dort koordinatenmäßig erfassen ließ. Der Schießelementermittler spiegelt eine abstrakte Landschaft wieder, die aus Planquadraten, Abschnittsgrenzen, Sperrfeuerräumen, Zielpunkten und Schwenkbereichen bestand (178, 360). Als Allmayer-Beck im Winter 1941/42 in der Sowjetunion das Eiserne Kreuz I. Klasse verliehen bekam, vermerkte er sarkastisch, dass er als Adjutant nichts zu verantworten habe und genau genommen ein "Büroschreiber mit Gefahrenzulage" sei (309). Diese Auszeichnung habe ihm wohl sein Kommandeur "besorgt", weil diese zur "Ausrüstung" gehöre. Er finde dies traurig, aber die Familie zuhause werde sich doch freuen.
Es ist eine besondere Leistung des Buches, die Kriegserinnerung aus der damaligen eingeschränkten Sicht anzubieten und nicht im Nachhinein die große Linie der Gesamtkriegführung einzuflechten. Meistens war die Heimat in dieser Beziehung besser unterrichtet als die Soldaten, die den Kampf an den Fronten führten. Beim Lesen fällt unweigerlich auf, dass die verbrecherischen Facetten des Krieges gegen die Sowjetunion wie der Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangenen, der Kriegsgerichtsbarkeitserlass und der Kommissarbefehl kaum erwähnt werden. Bei der Division, der der Autor angehörte, sind Erschießungen von Kommissaren tatsächlich nur in zwei Fällen nachzuweisen. [1] In einem Beitrag für den Sommer 1942 stellte Allmayer-Beck fest, dass es (im Dorf) offensichtlich keine Zivilbevölkerung mehr gäbe, und bemerkte, dass sie wohl nach hinten abgeschoben worden sei (333 f.). Zu einer tieferen Reflexion ließ er sich an dieser Stelle nicht hinreißen.
Zusammenfassend wird das rezensierte Buch wärmstens zur Lektüre empfohlen. Mit seinen persönlichen Kriegserinnerungen vermittelt Allmayer-Beck einen facettenreichen Einblick in einen sechs Jahre währenden Kriegsalltag, der zwischen den Extremen Todesangst und Wohlbehagen oszilliert und nicht nur durch Kampfhandlungen und politische Indoktrination besetzt ist. Hier vermag dieses Buch viel zu leisten, was einigen wissenschaftlichen Darstellungen nicht gelingt. Dass der Autor auch recht unumwunden Einblick in seine Emotionen gibt, unterscheidet dieses Werk von vielen geschönten Nachkriegsmemoiren. Auf der anderen Seite bestätigt sich bei Allmayer-Beck, was die wissenschaftliche Forschung der letzten zehn Jahre nach und nach ans Tageslicht befördert hat. Sobald "Reichsdeutsche" und "Österreicher" sich kennengelernt und aneinander gewöhnt hatten, nahmen Friktionen und gegenseitige Reiberein schnell ab. Eingereiht in die 21. (ostpr./westpr.) Infanterie-Division, befand Allmayer-Beck, dass "jeder Preuße einem Bayern vorzuziehen sei" (65). Hunderttausenden seiner Landsleute gleich, stellte er die Wehrmacht als Institution nicht in Frage und versuchte als Soldat, den Anforderungen zu entsprechen.
Anmerkung:
[1] Felix Römer: Der Kommissarbefehl. Wehrmacht und NS-Verbrechen an der Ostfront 1941/42, Paderborn 2008, 585.
Richard Germann