Matthias Schnettger: Der Spanische Erbfolgekrieg. 1701-1713/14 (= C.H. Beck Wissen; 2826), München: C.H.Beck 2014, 128 S., ISBN 978-3-406-66173-0, EUR 8,95
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Nach dem gründlich gescheiterten letzten Versuch, eine deutschsprachige Gesamtdarstellung des Spanischen Erbfolgekriegs vorzulegen [1], liegt mit dem hier zu besprechenden Buch endlich ein sauber gearbeitetes Überblickswerk vor, das der Komplexität dieses Konflikts in einer Art und Weise gerecht wird, dass man eine vorbehaltlose Lektüreempfehlung aussprechen kann.
Matthias Schnettger gelingt es insgesamt gesehen, auf rund 120 Seiten Text ein Thema angemessen darzustellen, das für die frühneuzeitliche Mächtepolitik von langfristiger und herausragender Bedeutung war. Dieser Erbfolgekrieg, Produkt der jahrzehntelang unklaren Sukzession auf dem spanischen Thron, bündelte nämlich zahlreiche Konfliktherde des 17. Jahrhunderts und ist daher, ähnlich wie der Dreißigjährige Krieg, bestens dazu geeignet, in paradigmatischer Weise die strukturellen, kriegsbegünstigenden Defizite des in Entstehung begriffenen frühneuzeitlichen Staatensystems zu untersuchen.
Die gewählte Gliederung ist plausibel: Zu Beginn erfolgen kurze Rekapitulationen der weit zurückreichenden Ursachen des Krieges, seiner unmittelbaren Vorgeschichte und der wesentlichen strukturellen Rahmenbedingungen. Bei der anschließenden Darstellung des eigentlichen Kriegsgeschehens verzichtet der Verfasser bewusst auf eine rein chronologisch angelegte, kleinteilige Schilderung des militärischen Geschehens. Vielmehr teilt er die ereignisgeschichtliche Darstellung des Kriegsverlaufs geschickt auf, indem er in jeweils eigenen Kapiteln die maßgeblichen Kriegsschauplätze (Reich, Italien, Niederlande und Iberische Halbinsel) getrennt voneinander behandelt. Dies trägt zweifellos sehr zur Übersichtlichkeit bei.
Breiten Raum nimmt die Schilderung der Friedenssondierungen und -verhandlungen ein, die 1713/14 in den Vertragswerken von Utrecht, Rastatt und Baden mündeten. In Form eines Ausblicks werden die wesentlichen Ergebnisse, die Gewinner und Verlierer sowie die mittel- und langfristigen Folgen des Krieges skizziert. Ohne ins Detail gehen zu wollen, lässt sich in diesen Punkten summarisch konstatieren, dass der Verfasser mit seinen Deutungen im Großen und Ganzen der bisherigen Forschung folgt; gravierende Neubewertungen finden sich hier nicht.
Abschließend wird kurz die Frage beleuchtet, ob und inwiefern der Spanische Erbfolgekrieg einen "lieu de mémoire" (im Sinne Pierre Noras) darstellt. In dieser Frage gelangt der Verfasser zu einem nachvollziehbaren, differenzierten Ergebnis: "Es gibt [...] nicht den einen einheitlichen, europäischen Erinnerungsort Spanischer Erbfolgekrieg, wohl aber eine ganze Reihe spezifischer nationaler Erinnerungsorte, die mit diesem Konflikt verknüpft sind." (119)
Eine hilfreiche, ausführliche Zeittafel, eine knapp gehaltene Auswahlbibliografie, ein Personenregister sowie eine angesichts der dynastischen Verwicklungen hilfreiche Stammtafel beschließen den Band.
Zu den Vorzügen des Büchleins zählt die solide, abgewogene und gut lesbare Darstellungsweise, die es sicherlich auch für breitere Kreise von historisch Interessierten jenseits der Zunft attraktiv macht. Zudem zeigt sich der Verfasser aufgeschlossen für Tendenzen der jüngeren Forschung (Netzwerke, Zeremoniell, Propaganda etc.), auch wenn der Raum, der diesen Themen gewidmet ist, nur relativ knapp bemessen ist. Darüber hinaus ist ausdrücklich positiv zu vermerken, dass die Darstellung nicht auf das politische und militärische Geschehen im engeren Sinne beschränkt bleibt, sondern sehr wohl auch mediale, wirtschaftliche und finanzielle Gesichtspunkte umfasst. Hinzu kommt, dass der außereuropäische Raum angemessen berücksichtigt wird. Ein erkennbares Anliegen des Verfassers ist es nämlich, die globalen Auswirkungen des Geschehens aufzuzeigen, auch wenn die Frage, ob dieser Krieg bereits als Weltkrieg zu klassifizieren ist, nicht definitiv beantwortet wird.
Insgesamt gesehen hat man nach der Lektüre den Eindruck gewonnen, dass es dem Verfasser gelungen ist, den für diese Schriftenreihe typischen knappen Umfang nahezu optimal zu nutzen. In Detailfragen ließe sich sicherlich Kritik üben. So wäre es wünschenswert gewesen, stärker auf terminologische Einheitlichkeit zu achten (Neunjähriger Krieg versus Pfälzischer Erbfolgekrieg 19, 40, 119). Auch die Tatsache, dass das Buch vornehmlich die Perspektive der großen Akteure behandelt, könnte man zum Anlass nehmen, Diskussionen grundsätzlicher Art zu führen. Zudem wären an der einen oder anderen Stelle, bei aller gebotenen Kürze, doch etwas ausführlichere Erläuterungen für den historischen Laien erforderlich gewesen, etwa im Zusammenhang mit der Aussage, eine Kriegsverwundung sei damals "häufig gleichbedeutend mit einem Todesurteil" gewesen (64).
Dass der Rezensent diese möglichen Kritikpunkte ausdrücklich gering veranschlagt, hängt zum einen mit der unzweifelhaften Gesamtqualität des Buches zusammen. Zum anderen richtet sich dies explizit gegen die oftmals nur wenig konstruktive Einstellung von Rezensenten, die solche auf knappen Umfang beschränkte Überblicksdarstellungen aus prinzipiellen Gründen ablehnen. Sowohl im Hinblick auf die akademische Lehre als auch angesichts des wichtigen Auftrags der historischen Forschung, über den engen Kreis des eigenen Fachs hinaus Wissen und Orientierung zu vermitteln, sind derartige Syntheseleistungen zwingend erforderlich. Ansonsten gerät die Geschichtswissenschaft mittel- und langfristig in die Gefahr, ausschließlich für den akademischen Elfenbeinturm zu produzieren und darüber hinaus nicht mehr rezipiert zu werden.
In summa: Matthias Schnettger hat mit seinem Buch keine Neuinterpretation des Spanischen Erbfolgekrieges geliefert; dies war auch zweifellos nicht seine Aufgabe. Vielmehr hat er es verstanden, eine konzise Gesamtdarstellung des Krieges und seiner Begleitumstände vorzulegen und dabei einen gut funktionierenden Kompromiss zwischen den Erfordernissen wissenschaftlicher Literatur einerseits und potenziell breitenwirksamer Lesbarkeit andererseits gefunden. Dafür gebührt ihm Respekt und Anerkennung.
Anmerkung:
[1] Stefan Smid: Der Spanische Erbfolgekrieg. Geschichte eines vergessenen Weltkriegs (1701-1714), Köln / Weimar / Wien 2011; vgl. dazu insbesondere die berechtigten Plagiatsvorwürfe in der Rezension von Holger Kürbis in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 59 (2011), 774-778.
Michael Rohrschneider