Beatrice Heuser: Rebellen - Partisanen - Guerilleros. Asymmetrische Kriege von der Antike bis heute, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2013, 307 S., ISBN 978-3-5067-7605-1, EUR 34,90
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Der Umstand, dass Kriegsgeschichte nach wie vor an Militärakademien als anwendungsbezogene Wissenschaft gelehrt wird, verweist auf die Tatsache, dass die menschlichen Angelegenheiten trotz aller Umwälzungen von langen Kontinuitätslinien und wiederkehrenden Mustern geprägt sind. Dem stehen zwei ursprünglich religiöse Weltdeutungskonzepte gegenüber, die aber mittlerweile auch in säkularisierter Form auftreten: Da ist zum einen der Glaube an eine grundlegende heilsgeschichtliche Erneuerung des Daseins; so gehörte zu den Verheißungen des Sozialismus auch die Vorstellung einer endgültigen Verbannung des Krieges aus dem Leben der Menschheit. Das andere wirkmächtige Glaubenssystem ist die Idee eines Sündenfalls, der durch die Erfindung einer bestimmten gesellschaftlichen Struktur oder Einstellung erst das ganz große Elend über die Welt gebracht habe. Letzteres Phänomen erklärt sich allerdings auch aus Gesetzmäßigkeiten der Aufmerksamkeitsökonomie: So meinten zahlreiche Intellektuelle nach dem Ende des Kalten Krieges in den Kleinkriegen der 'Dritten Welt' sogenannte Neue Kriege zu entdecken, die vermeintlich bislang unbekannten Mustern folgen. Tatsächlich hatte es aber seit 1945 eine Vielzahl ähnlicher Konflikte gegeben, von denen einige sogar im Nachkriegseuropa ausgetragen wurden.
Auf der Grundlage ihres breiten Wissens über die Geschichte des strategischen Denkens positioniert sich Beatrice Heuser in dem hier angezeigten Werk dezidiert gegen die Vorstellung, die für die Gegenwart typischen Phänomene des Guerillakrieges, der halbkriminellen Kriegsunternehmer (Warlords) und der militärischen Aufstandsbekämpfung seien ohne historische Präzedenzfälle. Sie tut dies allerdings nicht, indem sie in Fallstudien verschiedene Kriege miteinander vergleichen würde, sondern in einer eher literaturwissenschaftlichen Weise durch die Auswertung der zu dem Thema seit Jahrhunderten verfassten strategischen und operativen Handbücher sowie der Aufstandsanleitungen von Kriegsherrn wie Mao Zedong und Che Guevara. Sie versteht das vorliegende Buch denn auch als Ergänzung zu ihrem 2010 erschienen Werk Den Krieg Denken: Die Entwicklung der Strategie seit der Antike [1], das die Strategie in den großen Kriegen der jeweils technologisch führenden Mächte behandelte.
Heusers Methodik, das Thema anhand der immer wiederkehrenden Muster von Aufstandsbekämpfung und Kleinkriegsführung zu gliedern, bewirkt, dass sich ihr Buch bis zu einem gewissen Grade der untersuchten Literatur anverwandelt und streckenweise das Gepräge eines militärischen Handbuchs annimmt. Ihrer Fragestellung ist dies zwar durchaus angemessen, es hat aber gerade im ersten Teil des Buches, der einen historischen Überblick zu den Akteuren des irregulären Krieges gibt, den Nachteil, dass historische Militärformationen allzu sehr durch das Prisma jener modernen Kleinkriegsführung betrachtet werden, die sich in den Entkolonialisierungskriegen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herausgebildet hat. Die moderne militärische Formation, die Heuser gleichsam in die Vergangenheit zurückprojiziert, sind die amerikanischen Special Forces. Diese waren nach den amerikanischen Erfahrungen mit den Widerstandsbewegungen des Zweiten Weltkriegs aufgestellt worden, um in einem Krieg mit der UdSSR Aufstandsbewegungen hinter den sowjetischen Linien zu unterstützen. Im Vietnamkrieg wurden sie dann im Rahmen einer Aufstandsbekämpfung eingesetzt, die durch die Mobilisierung ethnischer Minderheiten in den vietnamesisch-laotischen Gebirgsregionen zum Teil selbst wieder den Charakter von Guerillaoperationen annahm.
Die historischen Spezialeinheiten, die Heuser anführt, waren aber ihrem Wesen nach leichte Truppen, die das für die Führung der Hauptschlacht bestimmte militärische Instrumentarium der schweren Infanterie und schweren Kavallerie ergänzten. Seit dem späten Mittelalter wurde das europäische Schlachtfeld nämlich von disziplinierten Fußtruppen beherrscht, deren dichtgefügten Formationen auch schwere Reiter nicht mehr aufbrechen konnten. Befanden sich diese Formationen aber in Auflösung, so waren sie eine leichte Beute für berittene Schocktruppen. Da diese beiden für die Führung der Schlacht entscheidenden Waffengattungen zur Wahrung ihres Zusammenhalts auf einigermaßen offene Landschaften angewiesen waren, wurden leichtere und beweglichere Truppen benötigt, um die weniger gut zugänglichen Räume zu beherrschen und deren Ressourcen für die Kriegsführung verfügbar zu machen. Die aufgelöste Kampfesweise dieser leichten Truppen entsprach tatsächlich weit mehr modernen Formen der Gefechtsführung, wie sie sich seit dem späten 19. Jahrhundert unter dem Einfluss schnell feuernder und zielgenauer Gewehre herausgebildet hatten, als die herkömmlichen Taktiken der schweren Infanterie- und Kavallerieformationen.
In den europäischen Kriegen vor der Französischen Revolution spielten dagegen weder Aufstände noch Partisanen im modernen Sinne eine besondere Rolle. Unzureichend ausgebildete Amateurkrieger wurden von regulären Truppen immer wieder spektakulär massakriert. Die Vorstellung eines mit allen Mittel zu führenden Volkskrieges war eine Begleiterscheinung der napoleonischen Kriege, die die tradierte Kriegskultur zerstörten und die von der französischen Kriegsmaschinerie unterworfenen Gesellschaften in ihrem ideellen Wesenskern existentiell bedrohten. Die Gefechtsformen, derer sich maßgeblich die spanische Guerilla bediente, entsprachen aber, wie Heuser zurecht betont, jenen, die leichte Truppen seit Jahrhunderten zur Kontrolle von Räumen und Ressourcen praktiziert hatten. Indem Heuser ihr Blickfeld bis zur Antike erweitert, gelingt es ihr zu zeigen, dass sich die Dynamiken des spanischen Guerillakrieges bereits in zahlreichen Eroberungskriegen der Römer wiederfinden lassen. Dass die Römer in ihren zum Teil recht langwierigen Kleinkriegen regelmäßig triumphierten, lag wohl vor allem daran, dass sie im Gegensatz zu Napoleons Heeren nicht gleichzeitig einem militärisch ebenbürtigen konventionellen Gegner gegenübertreten mussten.
Im zweiten Teil ihres Buches, der sich mit der Methodik der Aufstandsbekämpfung befasst, gelingt es Heuser überzeugend zu zeigen, dass taktische Maßnahmen wie Wehrdörfer, Umsiedlungen, Geiselnahmen, die Rekrutierung ethnischer Minderheiten oder bis zum Genozid reichende Verwüstungskampagnen über die Jahrhunderte immer wiederkehrende Handlungsmuster verschiedenster militärischer Akteure waren. Auch der Kampf um Herzen und Gemüter, den die Amerikaner in Vietnam zumindest ideell als zentral für ihre Pazifizierungsbemühungen erkannt hatten, findet sich bereits in sehr viel älterer Militärliteratur.
Aufgrund des Umstands, dass die amerikanische Doktrin zur Aufstandsbekämpfung im Irak und in Afghanistan den Kampf um Herzen und Gemüter ins Zentrum ihrer Überlegungen gestellt hat, schließt Heuser auf eine Tendenz zur Humanisierung solcher Auseinandersetzungen, zumindest was die Truppen westlicher Demokratien betrifft. Demgegenüber steht allerdings eine Renaissance der Folter, wie sie die Franzosen bereits sehr effektiv, aber mit politisch negativen Folgen zum Aufbrechen der Zellenstruktur der algerischen Unabhängigkeitsbewegung angewandt hatten. Und auch wenn es zielgenauere Waffen heute erlauben, Gefechte mit weniger Kollateralschäden zu führen, als es dies der amerikanischen Feuerwalze im Vietnamkrieg möglich war, bleibt das Grunddilemma westlicher Aufstandsbekämpfung in Ländern der 'Dritten Welt' doch, dass ausländische und anders rassische Soldaten Einheimische töten, deren Freunden und Familien damit ein sehr plausibles Motiv zur Fortsetzung des Krieges zuwächst. Welche Formen der Aufstandsbekämpfung sich in der Auseinandersetzung zwischen den westlichen Gesellschaften und dem globalen Heiligen Krieg des Islamismus in den nächsten Jahren durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. In Beatrice Heusers anregendem Werk findet man jedenfalls alle denkbaren Optionen.
Anmerkung:
[1] Vgl. hierzu die Rezension in sehepunkte 11 (2011), Nr. 6; URL: http://www.sehepunkte.de/2011/06/18762.html.
Michael Ploetz