Christian Windler: Missionare in Persien. Kulturelle Diversität und Normenkonkurrenz im globalen Katholizismus (17.-18. Jahrhundert) (= EXTERNA. Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven; Bd. 12), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2018, 764 S., 21 s/w-Abb., ISBN 978-3-412-51122-7, EUR 100,00
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Während die frühneuzeitlichen Amerika-Missionen durch ihre Erfolge, die Asien-Missionen der Jesuiten hingegen durch ihr medienwirksames Scheitern das Interesse der Zeitgenossen wie der Wissenschaft erregt haben, werden die ebenfalls vergeblichen Persien-Missionen erst jetzt durch das neue Monumentalwerk von Christian Windler im Einzelnen der Vergessenheit entrissen. Und auch das nur zum Teil, denn nur für die von Clemens VIII. (1592-1605) entsandten unbeschuhten Karmeliten kann Windler sich auf umfangreiche Quellenbestände stützen, obwohl er alle erdenklichen Archivalien zu einem eindrucksvollen pointillistischen Gesamtbild verarbeitet hat. Denn neben den Karmeliten waren in der Hauptstadt Isfahan und anderen Städten des Safawidenreiches portugiesische Augustiner aus Goa, Dominikaner römischer Observanz sowie französische Kapuziner, Jesuiten und Mitglieder der Pariser Kongregation der Missions étrangères tätig. In Isfahan residierte seit 1642 ein Apostolischer Vikar und seit 1692 ein Bischof. In der Vorstadt Neu-Dschulfa mit ihren 30 000 Armeniern gab es einen christlichen Friedhof und 1714 für die wenigen hundert lateinischen Christen drei katholische Kirchen der Dominikaner, Jesuiten und Karmeliten. Dazu kam eine armenisch-unierte Kirche mit circa 90 Gläubigen unter dem Patronat der weltweit agierenden armenischen Kaufleutedynastie Sceriman. Denn die Lateinermissionen standen und fielen mit der wirtschaftlichen Schlüsselrolle der Armenier.
Einleitend kann Windler dank Quellenreichtum die römischen Interaktionen zwischen dem Papsttum und den Orden, dann zwischen der Propagandakongregation und dem Heiligen Offizium ausführlich erörtern. Die dubia (Problemfälle) dieser beiden Behörden, die für die Mission zuständig waren, blieben allerdings oft eher theoretisch und wiesen entsprechend viel Abstand zur "Missionswirklichkeit" auf.
In Persien boten vor Ort politische und ökonomische Nützlichkeitserwägungen, bemerkenswerte, wenn auch durchaus begrenzte Aufgeschlossenheit, heute "Ambiguitätstoleranz" genannt, oder auch schlichte Neugier der Muslime und ihrer Herrscher den Katholiken zwar durchaus legalen Spielraum. Von Missionsversuchen oder gar -erfolgen konnte aber kaum die Rede sein, abgesehen von der zweifelhaften Praxis der massenhaften Taufe kranker Kinder (263-269). Umkehrt sind aber zwei Augustiner nachgewiesen, die zum Islam konvertierten (272-278). Persönlicher Respekt beider Seiten spielte dabei seine Rolle. Doch neben gelehrten Disputen mit prominenten Teilnehmern, sogar dem Shah selbst, gab es hier wie dort auch konkurrierende religiöse "Volkspraktiken".
Die soziale und kulturelle Symbiose mit den Armeniern blieb ebenfalls nicht ohne religiöse Folgen. Denn während von Rom und von manchen örtlichen Scharfmachern die konfessionellen Standards deutlich eingeklagt wurden, kam es in der Praxis stattdessen fast regelmäßig zur communicatio in sacris bis hin zur gemeinsamen Messfeier mit "Schismatikern" oder gar "Häretikern". Obendrein tauchte trotz der geringen Zahl lateinischer Christen alsbald das Mischehen-Problem auf. Die römischen Behörden mussten allerdings strittige Fälle bisweilen offiziell oder stillschweigend unentschieden lassen (620-624).
Manche Missionare wie der Karmelit Ange de Saint-Joseph legten beträchtliche Umtriebigkeit an den Tag und spielten kraft interkultureller, besonders sprachlicher Kompetenz eine wichtige Vermittlerrolle nicht nur als Dolmetscher (574-579). Weit über die Post- und Personenbeförderung hinaus bürgerte sich nämlich eine Partnerschaft nicht nur mit den "rechtgläubigen" Vertretern der französischen Indienkompanie ein, sondern ebenso mit protestantischen Angehörigen der niederländischen und englischen Gesellschaften. Wechselseitige Gastlichkeit und sogar freundschaftliche Beziehungen waren offensichtlich kein Problem (431, 439-442). Es gab in Isfahan außerdem eine regelrechte interkonfessionelle Diaspora europäischer Kaufleute und Handwerker. Reformierte Genfer Uhrmacher aus der bekannten Familie Rousseau ließen sich auf Dauer nicht nur in Istanbul, sondern auch in Isfahan nieder (391-397).
In diesem Zusammenhang waren auch transkonfessionelle Kredite für die Missionare von Bedeutung und zwar nicht nur zur Überweisung der vom Papst und von katholischen Fürsten gewährten Subsidien (459f.). Subsidien genügten nämlich nicht für den Unterhalt der Mission, ihrer Kirchen und Immobilien. Mehr oder weniger gezwungenermaßen betrieben die Karmeliten Ackerbau, erzeugten und verkauften mit der in einem muslimischen Land nötigen Diskretion Wein und Schnaps und widmeten sich erfolgreich dem Warenhandel und dem Kreditgeschäft. Damit verletzten sie nicht nur die für alle Missionare, zum Beispiel auch für die Jesuiten in Japan, gültigen, aber häufig übertretenen kirchlichen Vorschriften, sondern zusätzlich auch noch die besonders strengen Regeln ihres Ordens. Denn die unbeschuhten Karmeliten waren wie die Kapuziner ein frisch reformierter und besonders strenger Bettelorden, der sich im Gegensatz zu den Jesuiten eigentlich dem betrachtenden Gebet und allenfalls nebenbei der Seelsorge widmen sollte. Rom war selbstverständlich bekannt, dass die Praxis in Iran ganz anders aussah, versuchte aber die Folgen in Kauf zu nehmen.
Windler unterstellt zu Recht, dass Papst Clemens VIII. die italienischen unbeschuhten Karmeliten deswegen gezielt eingesetzt habe, weil er eine allein dem Papst und später dessen römischer Propagandakongregation unterstellte Mission bekommen wollte. Alle anderen Missionen unterstanden nämlich dem offiziellen Patronat Portugals und Spaniens oder der informellen Kontrolle Frankreichs. Was seine näheren Beweggründe für die Wahl gerade dieses Ordens gewesen sind, erfahren wir aber leider nicht. Merkwürdigerweise geht Windler auch nicht weiter auf die Unterschiede zwischen den sechs verschiedenen Ordenskulturen der Persien-Mission mit ihren konkurrierenden Normen ein. Dafür würde es ja nicht an allgemeinen Quellen fehlen.
Angesichts des ungeheuren Wissensstoffs, den Windler im Detail ausbreitet, möchte man sich allerdings manchmal eher fragen, ob das alles auch wirklich wissenswert ist. Aufs Ganze gesehen erweist sich Windlers Formel kulturelle Diversität und Normenkonkurrenz aber als treffend und fruchtbar. Wir erhalten ein buntes Bild kultureller Vielfalt und erfahren, wie die Betroffenen versuchten, den unter diesen Umständen ganz selbstverständlich konkurrierenden Normen gerecht zu werden. Der damals in Europa und vor allem in Rom angesagte Zwang zu konfessioneller Vereinheitlichung und Disziplinierung musste daher nicht nur in Iran zunächst weitgehend ins Leere laufen. Der allmähliche Niedergang der Iran-Mission nach dem Ende des Safawidenreiches 1722 sollte Rom dann allerdings spätere mögliche Konflikte ersparen.
Wolfgang Reinhard