Jean-Patrice Boudet / Martine Ostorero / Agostino Paravicini Bagliani (a cura di): De Frédéric II à Rodolphe II. Astrologie, divination et magie dans les cours (XIIIe-XVIIe siècle) (= Micrologus Library; 85), Firenze: SISMEL. Edizioni del Galluzzo 2017, XXI + 432 S., ISBN 978-88-8450-808-9, EUR 68,00
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Der Sammelband vereinigt die Beiträge eines 2014 in Lausanne abgehaltenen Colloquiums zu Divination und Magie an europäischen Höfen zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert. Die behandelten Beispiele reichen von Kastilien über Frankreich und Italien bis Ungarn. Die Herausgeber begründen in ihrer Einleitung den weiten Rahmen mit dem Versuch, die Konjunkturen von Akzeptanz und Ablehnung magischer und mantischer Praktiken besser zu erfassen. Doch wirkt diese Begründung angesichts der Heterogenität der Beiträge wie ein nachträglich eingewobener roter Faden, was den wissenschaftlichen Gehalt im Einzelnen jedoch keineswegs schmälert.
Den Anfang bildet die Studie von Stefano Rapisarda über die Zeugnisse zu divinatorischen Praktiken im Umfeld Kaiser Friedrichs II. Sehr listenhaft bleibt Rapisardas Sammlung thematisch relevanter Quellen von astrologischen Traktaten über Vatizinien bis zu chronikalischen Nachrichten, die sich mit dem sizilischen Hof in Verbindung bringen lassen. Er vermag jedoch das bislang bekannte Spektrum um neue Befunde aus der vernakularsprachlichen Poesie zu erweitern. In der angeführten Forschungsliteratur bleiben manche Lücken, so etwa gerade im Überlieferungskomplex um Dante als Multiplikator des legendenhaften Nachruhms des kaiserlichen Astrologen Michael Scotus.
Der Beitrag von Charles Burnett zur Magie am Hof König Alfons' X. von Kastilien betrachtet zunächst die Übersetzungsvorgänge, an deren Ende die lateinische Fassung des "Picatrix", eines der weitverbreitetsten Kompendien zur Magie überhaupt, steht. Im Abgleich mit der arabischen Vorlage vermag Burnett detailreich Unterschiede aufzuzeigen, die über die reine Sprachübertragung hinaus von Neuarrangements des Textes zeugen. Für die leitende Fragestellung des Beitrages, was diese Redaktion über magische Praktiken am kastilischen Hof aussagt, können jedoch allenfalls sehr subtile Hinweise herausgelesen werden.
Das "Opus maius" und das "Opus minus", gewidmet Papst Clemens IV., zählen sicherlich zu den besonders intensiv in der Forschung behandelten Schriften Roger Bacons. Sehr überzeugend geht Darrel Rutkin in seinem Beitrag einer bislang dennoch kaum beachteten Intention zur Abfassung dieser Hauptwerke des Franziskaners nach. Nach dem Rollenbild des vermeintlichen Aristoteles des "Secretum secretorum" empfiehlt sich Bacon demnach als wissenschaftsbasierter Politikberater. Insbesondere der Astrologie kam dabei die Funktion einer Leitdisziplin zu.
Bartomeu de Tresbens widmete im 14. Jahrhundert mehrere astrologische Traktate König Peter IV. von Aragon. Sebastià Giralt machte es sich für seinen Artikel zur Aufgabe, den Quellen Bartomeus systematisch nachzugehen. Seine Aufstellung erleichtert künftiger Forschung den Zugriff auf Konzeption und Inhalte der Werke, wobei detaillierte Tabellen in den Anhängen einschließlich einer Übersicht über die sternenkundlichen Buchbestände in der königlichen Bibliothek sehr nützliche Instrumente darstellen.
Ebenfalls den aragonesischen Hof, diesmal den von Peters Sohn Johann I., bedachte der Inquisitor Nicolas Eymerich mit einer kritischen Schrift, um eine warnende Stimme gegen den politischen Einfluss der Astrologen zu erheben. Die vorgebrachten Argumente entsprechen dabei dem üblichen Spektrum, das in weiteren antidivinatorischen Texten der Zeit seine Parallelen findet. Julien Véronèse vermag in seiner Untersuchung zu Eymerichs "Contra astrologos" einige Besonderheiten hervorzuheben und fügt eine kritische Edition des ersten Teiles des Traktates an. Bedauerlicherweise wird der interessierte Nutzer der Edition für die weiteren Teile auf einen anderen Publikationsort verwiesen.
Besonders ertragreich erweist sich die Studie von Jean-Patrice Boudet und Jacques Chiffoleau zu Magieprozessen im Umfeld des französischen und päpstlichen Hofes zwischen 1390 und 1410. Die intensive Betrachtung der aktenkundig gewordenen Fälle und ihre gemeinsame Kontextualisierung offenbart nicht nur eine Häufung von Anklagen des Magie- und Giftanschlags in den Krisenjahren der Herrschaft Karls VI., sondern auch die Etablierung eines Instrumentes königlicher Macht in der Abgrenzung und Verfolgung von Magie. Magie als "Staatshäresie" bildete sogar ein Argument für Jean Petit bei seiner Rechtfertigung des Attentats auf Ludwig von Orleans als Tyrannenmord. Eine Teiledition der "Justification" Petits haben die Autoren als Anhang beigefügt. Die Ergebnisse der Studie überzeugen, dennoch stellt sich die Frage nach Vorstufen und damit nach der Notwendigkeit weiterer Kontextualisierungen. So etablierte bekanntlich bereits Philipp IV. von Frankreich die Häresieverfolgung als Instrument der Abwehr gegen vermeintliche Angriffe auf die Krone.
Andrea Berlin widmet sich in ihrem Beitrag dem Fall des Grafen von Étampes. Aus den Untersuchungsakten von 1463 zu magischen Ritualen im Auftrag des Grafen, der sich einerseits der Zuneigung König Ludwigs XI. von Frankreich und seines Cousins Herzogs Philipp von Burgund versichern und andererseits dem Herzogserben Karl schaden wollte, rekonstruiert die Autorin detailliert die Personenkonstellationen und Ereignisse des Komplotts.
Mit Blick auf die Herrscherhöfe von Prag, Krakau und Buda geht Benedek Láng der Frage nach, ob im östlichen Europa zum Ausgang des Mittelalters eine größere Toleranz gegenüber magischen Praktiken zu beobachten ist. Der offene Umgang mit Magiebüchern in den Hofbibliotheken scheint auf den ersten Blick dafür zu sprechen. Lang relativiert allerdings eine solche Annahme selbst mit einer ausgewogenen Diskussion der letztlich sehr geringen Zahl von relevanten Zeugnissen.
Etwas ratlos über seine Zielsetzung lässt Daniel Jaquet den Leser nach der Lektüre seines Artikels über magische Komponenten in spätmittelalterlichen Fecht- und Kriegsbüchern zurück. Das Phänomen, dass beispielsweise Namensmantik als probate Methode dargestellt wurde, um den Sieger eines Zweikampfes zu prognostizieren, entspricht längst Bekanntem. Dafür überrascht der Autor mit einem grafischen Schema zur Synopse ausgewählter Quellentexte, das optisch stark an ein Periodensystem erinnert, dessen Darstellungsabsicht sich aber nur schwer erschließt.
Auf den Werdegang des Astrologen Galeotto Marzio konzentriert sich Enikő Békés. Ausgebildet an den Universitäten Ferrara und Padua trat Marzio ab 1461 in die Dienste König Matthias Corvinus' ein und suchte etwa ein Jahrzehnt später mangels weiterer Förderung am ungarischen Hof die Unterstützung der Medici in Florenz. Békés zeigt direkte Anknüpfungspunkte zwischen astrologischen Ideen und politischer Beratung in Marzios Schriften auf, was ihm in Ansätzen einen Vergleich der astrologischen Praxis am ungarischen Hof und im Umfeld der Medici ermöglicht.
Ein umfassendes Bild von der Bedeutung der Astrologie am Renaissancehof von Urbino unter Federico und Guidobaldo da Montefeltro zeichnet Stephan Heilen. Dazu analysiert er das dezidierte Interesse Federicos an der Sternenkunde, die einschlägigen Bestände seiner berühmten Bibliothek und Übersetzungen im Auftrag der Fürsten. Besonderes Augenmerk gilt jedoch Jakob von Speyer und Paul von Middelburg. Ein Glücksfall der Überlieferung, durch den Korrespondenzen der beiden Hofastrologen erhalten sind, gewährt Dank ihrer überzeugenden Analyse außergewöhnliche Einblicke in die praktische Arbeit der Astrologen und ihr persönliches Verhältnis zueinander. Letzteres schlug von anfänglichem Respekt in offene Feindschaft um.
Den auf der Astrologie liegenden Schwerpunkt des Sammelbandes durchbricht Alberto Alonso Guardo mit der Vorstellung der "Oráculos de Urganda", eines Losbuches, das vermutlich für die Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Katharina Michaela von Spanien und Karl Emmanuel I. von Savoyen angefertigt wurde. Der Autor rückt damit nicht nur weibliche Klientel für Divination an Höfen in den Blickpunkt, sondern verdeutlicht zudem auch die wichtige Funktion des Amüsements beim gemeinschaftlichen Orakeln.
Den Schlusspunkt des Bandes bildet Katrin Bauers Untersuchung über das Verhältnis zwischen Johannes Kepler als kaiserlichem Hofastrologen und Wallenstein. Noch vor Beginn seiner steilen Karriere nahm Wallenstein Keplers Expertise für ein Horoskop in Anspruch. Wie aus der sorgfältigen Diskussion der Quellenbefunde durch die Autorin deutlich wird, nutzte Kepler die Gelegenheit, seine umfassenden Fähigkeiten für Beraterdienste fruchtbar zu machen. Wallenstein selbst dokumentierte seinerseits sein nachhaltiges Interesse an astrologischer Vorhersage durch die erneute Korrespondenz mit Kepler über das Horoskop, dem er seine angesammelten Anmerkungen beifügte.
Leider ist zu befürchten, dass der Sammelband aus der Feder von Spezialisten nur von Rezipienten mit gleichen Forschungsinteressen zur Kenntnis genommen wird. Dabei zeigen die Beträge die anhaltende Präsenz magischer und mantischer Praktiken an Herrscherhöfen. Die Astrologie gewann sogar als Instrument der Politikberatung zunehmend an Bedeutung, allen superstitionskritischen Bedenken zum Trotz. Um Magie und Divination als einst selbstverständliche Optionen von Entscheidungsfindung und Vorteilsverschaffung besser zu begreifen, wäre künftig die stärkere Einbindung anderer Forschungsbereiche zu begrüßen.
Matthias Heiduk