Dan Jones: Die Templer. Aufstieg und Untergang von Gottes heiligen Kriegern, München: C.H.Beck 2019, 508 S., 28 Farbabb., 9 Kt., ISBN 978-3-406-73481-6, EUR 28,00
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Nach den Standardwerken von Alain Demurger, dem kompakten Überblick von Jürgen Sarnowsky und der "Aufklärungsschrift" des französischen Publizisten Alexandre Adler, der sich beim Versuch der Widerlegung von Mythen selbst als veritabler Mythograph erweist, legt der C. H. Beck-Verlag mit der Übersetzung von "The Templars. The Rise and Spectacular Fall of God's Holy Warriors" des britischen Sachbuchautors und Journalisten Dan Jones einen neuen Titel in seinem Sortiment zum Templerorden vor. Laut Werbetext hat der Autor "die Quellen zu den Templern neu gelesen und bietet mit diesem Buch ein Meisterstück an historischer Erzählkunst: auf dem neuesten Forschungsstand, mit sicherem Gespür für außergewöhnliche Episoden und spannend von der ersten bis zur letzten Seite." Dann sollen Darstellungsweise, Spannungsfaktor und Forschungsnähe auch im Folgenden die Messlatte für die Beurteilung des Buches sein.
"Sachbücher" zum Templerorden lassen selten einen hohen Unterhaltungswert vermissen. Doch wer von Dan Jones Neues erfahren will über die Umtriebe eines gewissen Abbé Saunière in Rennes-le-Château, über die Sodomie der Templer, hinter der sich doch nur ihre Meisterschaft des Chakra verberge, oder über den unvermeidlichen Schatz, wahlweise unter dem Washington-Monument oder im Dorfteich von Tückelhausen versteckt, wird enttäuscht. "Dieses Buch möchte die Geschichte der Templer erzählen, wie sie wirklich waren, nicht die Legende [...]. Mein Ziel ist es nicht, die abwegigen Thesen des Templer-Mythos zu widerlegen oder mich damit auch nur zu befassen", erklärt Dan Jones in seiner Einleitung. Auf das mythische Nachleben der Templer geht er dann tatsächlich auch nur in einem kurzen, gleichwohl instruktiven Epilog ein mit Streiflichtern von Wolfram von Eschenbach über Walter Scott bis zu Anders Breivik und dem mexikanischen Kartell "Los Caballeros Templarios" ein. Auf den übrigen rund 400 Seiten, ergänzt durch eine Reihe von Karten und ansprechenden farbigen Bildtafeln, breitet Dan Jones in streng chronologischer Folge eine durchgehende Erzählung vom Ersten Kreuzzug bis zum Tod des Jacques de Molay auf dem Scheiterhaufen aus. Einer kritisch geschulten Leserschaft, die eine solch positivistische Rekonstruktion der Vergangenheit entlang vermeintlich eindeutiger Kausalketten aufgrund der Handlungen klar fassbarer Akteure für unzulässig hält, kann der Titel nicht empfohlen werden.
Dan Jones' Darstellung entfaltet durchaus eine gewisse Sogwirkung. Die Schilderungen von einer Kreuzfahrerburg unter Belagerung, vom Leben in einer Komturei des Ritterordens oder von den Strapazen einer Pilgerreise ins Heilige Land gewinnen eine eindrückliche Plastizität, die auch die deutsche Übersetzung trotz mancher Abschwächungen gegenüber dem englischen Original im Großen und Ganzen gut einfängt. Spannung erzeugen allerdings in erster Linie die Schlachtenschilderungen, die dann auch den meisten Raum im Buch einnehmen. Nun besitzt die ausführliche Nacherzählung der blutigen Seiten der Kreuzzüge gerade in der britischen Historiographie durchaus Tradition. Doch "Die Geschichte der Kreuzzüge" von Steven Runciman etwa wirkt gegenüber der Blumigkeit dieses Buches geradezu nüchtern. Der Auftakt zur Schlacht von Hattin beispielsweise stellt sich nach Dan Jones so dar:
"In der Morgendämmerung standen die durstigen Franken auf und bewaffneten sich in Erwartung eines Angriffs. Grausamerweise dehnte der gewitzte Saladin ihre Qual aus und ließ sie noch ein Stück weiter auf die Hörner von Hattin zutaumeln. Dann befahl er seinen Männern, das Wüstengestrüpp anzuzünden. Rauchschwaden erfüllten die Luft, kratzten in den ausgetrockneten Kehlen und vermittelten, so hoffte Saladin, einen Vorgeschmack auf die bevorstehende Hölle. Als die Ebene von beißendem Rauch überzogen war, gab er schließlich seinen Bogenschützen den Befehl, Pfeile einzulegen. Sie spannten die Sehnen und ließen los. Die Pfeile sausten 'wie ein Schwarm Heuschrecken' durch die Luft. Infanteristen und Pferde begannen zusammenzubrechen."
Nach der Wissenschaftlichkeit des angezeigten Buches gefragt, wäre es ein Leichtes, an seinem Beispiel Proseminaristen den Unterschied zur Forschungsliteratur aufzuzeigen. Neben dem suggestiven Erzählstil, der so manche Wissenslücken phantasievoll zudeckt, wären die fakultative Art der Belegführung und die bestenfalls oberflächliche Quellenkritik zu nennen. Problemanalysen entlang von Fragestellungen fehlen ohnehin. Auch auf geringfügige Lapsus ließe sich hinweisen, etwa dass Titus Flavius bei der Eroberung Jerusalems noch nicht römischer Kaiser war oder vor dem zweiten Kreuzzug das Regnum Teutonicum noch nicht Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation genannt wurde. Aber an den Regeln der Forschungsliteratur will das Buch nicht gemessen werden. Vielmehr gebührt Dan Jones' Kompilationsleistung auf breiter, seriöser Literaturbasis, auf die auch konsequent Bezug genommen wird, durchaus Respekt. Grober Unfug bleibt denn auch aus, davor bewahrt den Autor dann doch das zünftig an der Universität von Cambridge erlernte Historikerhandwerk.
Dass sich sein Buch auf Höhe des neuesten Forschungsstandes bewegt, kann ihm jedoch nicht zugestanden werden. Sich lediglich auf englischsprachige Literatur zu stützen, mag zwar inzwischen in den "Humanities" an amerikanischen Hochschulen und zunehmend auch in Großbritannien ausreichend sein, verfehlt dann aber gerade bei einem Thema wie dem Templerorden den Horizont der Forschung. Über aktuelle Probleme oder gar Kontroversen ist dann auch nichts zu erfahren, kritische Stellungnahmen beschränken sich auf lapidare Hinweise, etwa dass die nach manchen Zeugnissen angeführte Anzahl von neun Gründungsrittern des Templerordens legendenhaft sei.
So zeigt sich auch die darstellerische Schattenseite der bunten Schlachtplatte in der bemerkenswerten Konturlosigkeit anderer Aspekte. Beispielsweise ist zwar von den adeligen Ritterbrüdern und den nichtadeligen Sergeanten und angeworbenen Söldnern die Rede, die Heterogenität im sozialen Gefüge des Ordens wird allein damit aber nicht deutlich. Der Konflikt zwischen französischem König und Papsttum um 1300 wird erwähnt, aber die Motive für Philipps IV. Übergriff auf die Templer bleiben blass, am naheliegendsten erscheinen demnach seine Finanzsorgen. Einer Leserschaft vom Fach vermag Dan Jones dann auch nichts Neues zu unterbreiten.
Diese Fehlstellen lassen sich nicht allein auf das Genre des populären Sachbuches zurückführen. Denn auf diesem Feld beweist gerade der britische Buchmarkt mit Titeln wie "S.P.Q.R." von Mary Beard, dass pointierte, literarisch kurzweilige Darstellung keiner geschlossenen Erzählung folgen muss, durchaus mit fundierten Hinweisen auf Wissenslücken und Problemlagen der historischen Disziplinen einhergehen und dennoch zum internationalen Bestseller werden kann. Voraussetzung in solchen Fällen ist dann aber doch Forschungskompetenz aus erster Hand.
Matthias Heiduk