Frank Pohle / Dilara Uygun (Hgg.): Der gekaufte Kaiser. Die Krönung Karls V. und der Wandel der Welt, Dresden: Sandstein Verlag 2020, 528 S., 414 Farbabb., ISBN 978-3-95498-579-1, EUR 48,00
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Am 23. Oktober 1520 wurde der Habsburger Karl (V.) in Aachen zum Römischen König gekrönt. Dem Vorbild seines Großvaters Maximilian I. folgend nahm er danach den Titel Erwählter Römischer Kaiser an. Zu einem der mittelalterlichen Tradition folgenden "richtigen" Kaiser wurde er allerdings erst am 24. Februar 1530, als ihn Papst Clemens VII. in Bologna, nicht in Rom, krönte. Die Ereignisse des Oktobers 1520 wurden zum Anlass genommen, in Aachen während eines ganzen Jahres insgesamt drei Ausstellungen zu organisieren. Der Katalog der ersten Ausstellung ist hier zu besprechen.
Vorweg sei betont, dass wir es mit einem wunderbar gestalteten Buch zu tun haben, das mit seinen 528 Seiten in jeder Hinsicht gewichtig ist. Das präsentierte Bildmaterial ist von hoher Qualität, sowohl inhaltlich als auch graphisch. Dazu muss nicht nur den einzelnen Autorinnen und Autoren der Katalogbeiträge gedankt, sondern auch dem Verlag ausdrücklich gratuliert werden. Der Katalogteil ab Seite 157 widmet sich zuerst einmal den beiden Herrschern Karl dem Großen und Karl V., wobei der Person des Letztgenannten und seiner Familie besonders breiter Raum gewährt wird. Dargestellt wird nicht nur graphisches Material, sondern auch Münzen, Medaillen, Skulpturen etc. Danach folgt ein Ausstellungsteil über das Heilige Römische Reich und seine Glieder, neuerlich hervorragend illustriert. Weitere Abschnitte des Bandes gehen auf die Königswahl in Frankfurt am Main 1519 ein, wo auch die Fugger nicht vergessen werden, die einen beträchtlichen Teil der Wahlkosten vorfinanzierten. Die weiteren Abschnitte des Katalogteils sollen hier nur kursorisch aufgezählt werden: Es beginnt mit Aachen um 1520, wo auch sehr viel über das Alltagsleben in der Stadt zu erfahren ist, danach wird auf das Krönungsereignis eingegangen. Dort werden auch beispielsweise die Reichskleinodien, die Krönungsgewänder und anderes dargestellt. Die nächsten Ausstellungsteile widmen sich dem Krönungsmahl und der Volksbelustigung sowie der Krönungsfeier als Wallfahrtsereignis. Auch der Kaiserkrönung in Bologna wird ein eigener Abschnitt gewidmet. Danach folgt ein eigener Teil über die sich wandelnde Welt des 16. Jahrhunderts, in dem nicht nur auf die Reformation Martin Luthers eingegangen, sondern auch gezeigt wird, wie die Kenntnis Außereuropas langsam in das Bewusstsein der Europäer eindrang. Die Welt wandelte sich, wie bereits der Titel dieses Abschnitts zeigt. Der Schlussteil des Katalogs fragt schließlich, was von Karl V. blieb.
Dem Katalog voran gehen einleitende Essays über die Kindheit und Jugend des späteren Kaisers, über seine Augsburger Financiers, über den Wandel der damaligen Welt, die Krönungsfeierlichkeiten von 1520, das Ende des universalen Kaisertums, die militärischen Modernisierungen jener Zeit, über Hispanoamerika, die Medienrevolution, ausgelöst durch Gutenberg und die Neuerungen im Buchdruck, über die Reformation sowie über Technik und Wissenschaft jener Zeit. Wie bei vielen einführenden Artikeln in Ausstellungskatalogen sind diese eher allgemein gehalten - schließlich soll ein breiteres Publikum angesprochen werden und nicht nur Fachleute.
Apropos breiteres Publikum: Diesem ist im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wohl eine Terminologie zumutbar, die korrekt und unbeeinflusst vom Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts ist. Es ist heute nicht mehr notwendig, vom Heiligen Römischen Reich "deutscher Nation" zu sprechen (Seite 7 und viele weitere Male im Band), denn dieses politische Gebilde in der Mitte Europas hieß nur Heiliges Römisches Reich, ohne jeden weiteren Zusatz. Karl V. wurde 1520 auch nicht zum "römisch-deutschen" König gekrönt (auf die zahlreichen Seitenverweise wird hier verzichtet), auch nicht zum "deutsch-römischen" (160, 257 etc.) oder, wie es auf der hinteren Umschlagsseite heißt, gar zum "deutschen" König (auch 355), sondern zum Römischen König. Auch war Karl V. nie "römisch-deutscher Kaiser" oder Inhaber eines "römisch-deutschen Kaisertums" (396), sondern Kaiser und damit oberster weltlicher Herr der gesamten (westlichen) Christenheit. Der permanente Zusatz "römisch-deutsch" verzerrt nicht nur die historischen Realitäten (das gilt auch für die späteren Kaiser des Heiligen Römischen Reichs), sondern führt auch die Ideen Karls V. bezüglich einer "Monarchia Universalis" hin zum Absurden.
Auch sonst gibt es manche Unstimmigkeiten. Zu seiner Krönung in Aachen kam Karl V. nicht als König von Spanien (8), sondern als König von Kastilien-León, Aragón etc. Die nächste größere Stadt in der Nähe von Yuste, dem Sterbeort des Herrschers, ist nicht Oropesa (482), ein Provinznest von Toledo, sondern Plasencia in der Estremadura. 1545 gab es nicht ein Feldlager des "britischen" Heeres bei Portsmouth (87), sondern das war ein englisches Heer. Großbritannien entstand erst 1707 durch die Vereinigung von England und Schottland.
Schließlich soll auch ein Kommentar zum Titel des Buchs nicht fehlen. "Der gekaufte Kaiser" erweckt Assoziationen, die durch das gebetsmühlenhaft wiederholte Klischee entstanden sind, Karl V. verdanke seine Königswahl 1519 nur den hohen Bestechungsgeldern, die Augsburger Familien wie die Fugger, Welser und andere dem Habsburger zur Verfügung gestellt hatten. Die Königswahl war keineswegs "gekauft". Es wäre empfehlenswert gewesen, dem differenzierenden Artikel und den Argumenten von Mark Häberlein (33-43) zu folgen, der deutlich herausstreicht, dass die Augsburger Kaufherren und die Habsburger in einem beiderseitigen Abhängigkeitsverhältnis standen. Von der Königswahl profitierten also auch die Augsburger, nicht nur die Herrscherfamilie.
Auch wenn die Texte des Bandes nicht immer die volle Zustimmung des Rezensenten finden, sei noch einmal betont, dass ein ausgezeichnet illustriertes Buch vorliegt, das sicherlich einem breiteren Publikum, das nicht zwangsläufig an Geschichte interessiert ist, große Freude bereiten kann. An das Zeitalter Karls V. führt es jedenfalls sehr gut heran.
Friedrich Edelmayer