Rezension über:

Ralf Höller: Die Bauernkriege 1525/26. Vom Kampf gegen Unterdrückung zum Traum einer Republik, Stuttgart: W. Kohlhammer 2024, 266 S., 13 s/w-Abb., ISBN 978-88-7283-931-7, EUR 27,00
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Rezension von:
Peer Frieß
Zorneding
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Peer Frieß: Rezension von: Ralf Höller: Die Bauernkriege 1525/26. Vom Kampf gegen Unterdrückung zum Traum einer Republik, Stuttgart: W. Kohlhammer 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 7/8 [15.07.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/07/39659.html


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Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "500 Jahre Bauernkrieg" in Ausgabe 25 (2025), Nr. 7/8

Ralf Höller: Die Bauernkriege 1525/26

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Wer den vergleichsweise schlanken Band in der Hoffnung zur Hand nimmt, einen knapp gefassten Überblick über "die Bauernkriege" zu erhalten, wird enttäuscht. Es geht Rolf Höller nicht um die Darstellung der Ereignisse in den verschiedenen Aufstandsgebieten vom Elsass bis nach Salzburg und von der Eidgenossenschaft bis ins heutige Sachsen-Anhalt - es geht ihm um Michael Gaismair. Im Unterschied zu seiner stärker literarisch angelegten Gaismair-Biografie aus dem Jahre 2011 [1] ordnet der Journalist und Historiker Höller Gaismairs Wirken hier allerdings stärker in den historischen Kontext des Jahres 1525 ein und untermauert seine Darstellung mit Anmerkungen, die auf die wichtigsten einschlägigen Fachpublikationen verweisen.

Nach einem, auch von anderen Autoren immer wieder gerne verwendeten, theatralischen Einstieg mit der Darstellung der spektakulären Befreiung und Flucht Peter Paßlers, den eine aufgebrachte Menge am 9. Mai 1525 den Händen des Henkers in Brixen entriss, schildert Höller die Ereignisse der Rebellion in Tirol weitgehend chronologisch. Die Besetzung Brixens durch die aufständischen Bauern, der Innsbrucker Landtag, schließlich die Flucht Gaismairs, seine Beteiligung am Aufstand im Salzburger Land und sein Dienst für die Republik Venedig sind markante Stationen der Erzählung. Ein wichtiges Stilmittel des Autors ist die Personalisierung des Geschehens. So werden die ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Tirol zu Beginn des 16. Jahrhunderts nicht abstrakt diskutiert, sondern anhand der Beispiele prominenter Akteure - etwa der beiden Familien Gaismair und Paßler - dargestellt. Die herrschaftlichen Verhältnisse verdichten sich in der Person des Fürstbischofs von Brixen Sebastian Sprenz und des Tiroler Landesherrn Erzherzog Ferdinand. Das muss kein Nachteil sein. Abgesehen davon, dass die Lektüre des Bandes dadurch deutlich eingängiger wird, kann die lange Zeit in der historischen Forschung zum Bauernkrieg in den Hintergrund gedrängte Frage nach der Bedeutung von Einzelpersönlichkeiten wieder stärker in den Fokus rücken. Die Frage wird allerdings nicht expressis verbis gestellt und auch nicht wirklich beantwortet, sie schwingt eher latent mit.

Während die Motivation für Gaismairs Seitenwechsel im Mai 1525 vom Schreiber des Fürstbischofs zum Feldhauptmann der aufständischen Bauern im heutigen Südtirol im Vagen bleibt und angesichts der Quellenlage wohl auch bleiben muss, stellt Höller die Vision einer neuen Ordnung und die Strategie, die zu ihrer Verwirklichung führen sollte, deutlich heraus. Er betont, dass Gaismair die feudalen Zwischengewalten, wie etwa den Fürstabt von Brixen, und die mächtigen Unternehmer, wie etwa die Fugger, entmachten wollte, um alle Autorität dem habsburgischen Landesherrn zukommen zu lassen. Angesichts der offenkundigen Bemühungen Gaismairs um einen Schulterschluss der Aufständischen mit Erzherzog Ferdinand erscheint diese Deutung absolut plausibel. Auch der Bewertung des Neustifter Forderungskatalogs Gaismairs vom 16. Mai 1525 als ein - im Vergleich zu den berühmten Zwölf Artikeln der oberschwäbischen Bauernhaufen oder der 64 Meraner Artikel - weitaus radikaleres Reformprogramm ist zuzustimmen.

Eine intensivere vergleichende Auseinandersetzung mit den Ereignissen in anderen Aufstandsgebieten findet allerdings kaum statt. An den wenigen Stellen, an denen der Blick über Tirol hinaus gelenkt wird, schleichen sich leider missliche Fehler ein. So gab es Ende 1524 keine Kämpfe in Baltringen (58), der Schwäbische Reichskreis ist deutlich größer als der Landstrich zwischen Ulm, Biberach und Augsburg (61), die Zwölf Artikel waren nicht an den Schwäbischen Bund adressiert (62), bei Wurzach besiegte Georg von Waldburg nicht den von Südbadenern unterstützten Baltringer Haufen, sondern seine eigenen aufständischen Untertanen (75), der militärische Vorteil der Fürsten bestand nicht in den besser organisierten Haufen der Landsknechte, sondern in der Reiterei, über die die Bauern nicht verfügten (77), Memmingen wurde nicht von 20.000 Bauern belagert (121) usw. Auch die Behauptung, Georg von Frundsberg habe im Sommer 1526 den habsburgischen Auftrag zur Verfolgung Gaismairs abgelehnt, weil er seine Truppen schonen wollte, "um sie im kommenden Frühjahr beim Sacco di Roma gegen Papst Clemens einzusetzen" (198), ist mehr als fragwürdig.

Das Ringen Gaismairs um eine Neuordnung der Verhältnisse im Süden Tirols, die Hinhaltetaktik Ferdinands und die schwindende Unterstützung der Tiroler Bevölkerung für einen Kampf gegen die etablierten Feudalgewalten werden demgegenüber stimmig präsentiert. Höller sagt auch deutlich, wenn er sich von den belegbaren Fakten entfernt und sich angesichts einer spärlichen Quellenlage zu Vermutungen genötigt sieht. Erkennbar wird ebenfalls, dass dem Protagonisten des Bandes, Michael Gaismair, im Laufe der Zeit die Anhänger abhandenkommen. Während die Zwölf Artikel vielfach nachgedruckt wurden und ein breites Echo fanden, blieb sein Traum einer Republik, seine Landesordnung von 1526 (159-170) eine Vision, die nur wenige kannten und für die noch weniger kämpfen wollten. Dass die Habsburger ihn dennoch für gefährlich genug hielten, um ein hohes Kopfgeld auf ihn auszusetzen, was schließlich zu seiner Ermordung im April 1532 führte, sagt mehr über die Ängste Ferdinands als über die wirkliche Bedrohung aus, die Gaismairs nur im kleinen Kreis verbreitete Ideen entfalteten.

Doch auch das ist seit langem bekannt. Wirklich Neues erfährt man also nicht, da Höller - anders als Philipp Tolloi [2] - keine bislang unbeachteten Primärquellen heranziehen kann und auch die bekannte archivalische Überlieferung keiner neuen Analyse unterzieht. Wer sich allerdings erstmals mit den Ereignissen in Tirol während des Bauernkrieges beschäftigt, dem bietet der Band von Ralf Höller einen gut lesbaren Überblick über die Ereignisse verbunden mit hilfreichen Hinweisen auf weiterführende Literatur sowie aktuelle Forschungskontroversen.


Anmerkungen:

[1] Rolf Höller: Eine Leiche in Habsburgs Keller. Der Rebell Michael Gaismair und sein Kampf um eine gerechtere Welt. Eine Biografie, Salzburg / Wien 2011.

[2] Philipp Tolloi: Rediscovering Gaismair. Neue Quellen zum Revolutionär von 1525/32, in: Geschichte und Region/storia e regione 31/2 (2022), 185-194.

Peer Frieß