Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Matthias Pohlig, Berlin


Gerd Schwerhoff, Der Bauernkrieg. Geschichte einer wilden Handlung, München 2024.
Historische Jubiläen werden oft eher pflichtschuldig begangen, aber im Fall des Fünfhundertjahrsjubiläums des Bauernkriegs vollzieht sich gerade mehr als Erinnerungsroutine: Ein seit 40 Jahren im Wesentlichen unveränderter Forschungsstand wird von gleich drei Büchern renommierter Historiker:innen herausgefordert. Am besten alle drei nebeneinander lesen! Gerd Schwerhoff folgt den Akteuren des Bauernkriegs, ist skeptisch gegenüber ihren politischen Programmen und sieht im Bauernkrieg am Ende keine Revolution des gemeinen Mannes. Kleinteilig, differenziert und differenzierend.

Thomas Kaufmann, Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis, Freiburg im Breisgau 2024
Ob und wie aus der Vielzahl regionaler Aufstände des Bauernkriegs "ein" Ereignis wurde, ist oft diskutiert worden. Die Antwort des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann lautet: Druckmediale Kommunikation spielte im Bauernkrieg eine größere Rolle als gedacht, und der Bauernkrieg als Einheit 'entstand' vor allem durch die Außenwahrnehmung und -deutung im Medium des Drucks. Darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein, aber Kaufmann legt mit seiner materialreichen Studie die Grundlage für die Diskussion über Druckmedien im Bauernkrieg.

Lyndal Roper, Für die Freiheit. Der Bauernkrieg 1525, Frankfurt a.M. 2024
Vielleicht am thesenstärksten und identifikatorischsten ist das Buch von Lyndal Roper, die den Bauernkrieg als integralen Bestandteil der Reformation deutet. Sie zeigt, wie der Bauernkrieg sich im Rhythmus der Jahreszeiten vollzog und statt politischer Programme die praktische Erfahrung des gemeinsamen Marschierens eine Utopie der "Brüderlichkeit" und das Gefühl des kollektiven Aufbruchs befeuerten. Anders als Gerd Schwerhoff sieht Roper sieht schon wegen der großen Zahl der Teilnehmer und der Toten im Bauernkrieg eine Revolution. Man kann und muss auch hierüber streiten. Dass man über den Bauernkrieg mit neuen Argumenten, neuen Begriffen, neuen Perspektiven jetzt wieder diskutieren kann, ist das Verdienst dieser drei hochkarätigen Bücher.

Wolfgang Hardtwig, In der Geschichte: Historiker in West und Ost 1964-2024, Berlin 2024
Nachdem der Historiker Wolfgang Hardtwig im ersten Teil seiner autobiografischen Aufzeichnungen seine Kindheit in einem bayerischen Dorf geschildert hat, folgt der Leser ihm jetzt zum Studium in Basel und München (und bekommt Einblicke in die Ordinarienuniversität vor 1968). Genauso eindrücklich, wenn auch natürlich aus einer 'westlichen' Perspektive geschrieben, sind Hardtwigs Schilderungen seiner Zeit an der Humboldt-Universität Berlin seit 1991 und zum Reformprozess an der HU. Die gegenseitige Befremdung von Ost über West, West über Ost, Ost über Ost, die harten und verletzenden Debatten, die schmerzhafte Transformation der Humboldt-Universität: Dies ist anschaulich und persönlich beschrieben. Einblicke in eine Zeit, die weit entfernt scheint und es doch nicht ist.

Kazuo Ishiguro, The Buried Giant, London 2015
Gerade wiedergelesen. Ishiguros Roman über ein altes Ehepaar im frühmittelalterlichen Britannien auf der Suche nach ihrem Sohn provoziert Fragen auf ganz unterschiedlichen Ebenen: Ist das ein historischer Roman oder Fantasy? Ein Buch über die Vor- und Nachteile des Erinnerns und des Vergessens, individuell wie kollektiv? Aber auch: Wie funktioniert Liebe, und wie verändert sie sich beim Älterwerden? Und: Wie fremd sind uns die Menschen weit entfernter Zeiten, und verstehen wir sie dennoch? Der Roman rührt in scheinbarer Einfachheit an ganz große Fragen und entwirft Bilder und Situationen, die man lange mit sich herumträgt.